Beitrag in den Europa-Nachrichten Nr. 11 vom 24.11.2022

Ehrenamtliche als Multiplikatoren – Zivilgesellschaft gegen Armut

Ann-Katrin Jehn

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Autor*in
Redaktion

Für die sozial Schwachen in der Gesellschaft wird es immer schwerer: Steigende Preise – ob für Energie, Lebensmittel oder andere wichtige Dinge des täglichen Lebens – lassen den ohnehin schon schwierigen Alltag immer grauer wirken. In Zeiten wie diesen braucht es einen guten Zusammenhalt innerhalb der Gesellschaft. Hier gilt es, eine Spaltung der Gesellschaft zu vermeiden, die Schwächeren aufzufangen. Ehrenamtliche können dazu einen wichtigen Beitrag leisten. Ohne sie wären viele Hilfen kaum möglich, sei es in den Bahnhofsmissionen, bei Hausaufgabenhilfen, in der Flüchtlingshilfe oder der Ukrainehilfe.

Die Hilfsbereitschaft war und ist überaus groß seit Beginn des Krieges in der Ukraine. Viele Bürgerinnen und Bürger stellten mit Beginn des Flüchtlingsstroms Wohnraum zur Verfügung, kümmerten sich unentgeltlich um Behördengänge, Einkäufe und andere Erledigungen. Andere engagierten sich in Gemeinschaftsunterkünften, in der Flüchtlingshilfe allgemein. Auch wir bei der Caritas haben in dieser Zeit Ehrenamtliche hinzugewonnen. Die meisten von ihnen unterstützen uns bis heute, teilweise haben sie weitere Aufgaben innerhalb unseres Verbandes übernommen.

Nun, da die Energiekrise vielen Menschen große Sorgen bereitet und die Angst vor der nächsten Gasrechnung sie in die Enge treibt, haben zahlreiche Wohlfahrtsverbände und Initiativen Wärmeangebote ins Leben gerufen. In Fulda hat die Caritas beispielsweise eine Wärmestube mit dem Namen »HOTRoom« geöffnet, in der es dreimal wöchentlich heiße Suppe, Getränke und die Möglichkeit zum Gespräch gibt. Wer Hilfe sucht, wird gerne in die Beratungsstellen der Caritas vermittelt. Dies wäre ohne Ehrenamt nicht zu stemmen. Ehrenamtliche halten hier »den Laden am laufen« und leisten so ihren Beitrag dazu, die Schwächeren der Gesellschaft aufzufangen. Das ist Armutsbekämpfung im Kleinen, im Alltäglichen – und unglaublich wichtig für die Klientinnen und Klienten.

Wer einmal pro Woche ein paar Stunden Suppe ausgibt und ein freundliches Wort für seine Mitmenschen hat, leistet einen wichtigen Beitrag dazu, dass die Gesellschaft zusammenhalten kann. Wohlfahrtsverbände, Vereine oder Initiativen brauchen die ehrenamtlich Engagierten, um verschiedene Angebote aufrecht erhalten zu können. Die Caritas nutzt derzeit ehrenamtliche Hilfe, um ihren Stromsparcheck auszuweiten. Denn die Hauptamtlichen können den gestiegenen Bedarf nicht mehr allein abdecken. Es braucht auch hier die Unterstützung von Freiwilligen, die sich schulen lassen, um anderen dabei zu helfen, durch die Energiekrise zu kommen. Die Stromsparchecker machen ärmeren Menschen Mut, zeigen Wege zum Sparen auf, unterstützen, wo sie können.

Ehrenamtliches Engagement wird in Krisenzeiten noch wichtiger. Dies ist eine große Chance für die ganze Gesellschaft, denn wenn sich Menschen füreinander einsetzen, können sie etwas bewegen – auch viel gegen Armut tun. Armut wird nicht nur auf dem Konto und im Geldbeutel sichtbar, sondern auch im sozialen Bereich. Manchmal ist es ein gutes Wort, ein gemeinsamer Schritt zu besserer Integration, die Hilfe bei den Schulaufgaben oder eine gemeinsame Unternehmung, die helfen. Für Schülerinnen und Schüler kann eine ehrenamtliche Bezugsperson eine große Hilfe sein, wenn das Elternhaus diese nicht leisten kann. So unterstützen wir mit unserem Patenschaftsprojekt »SymPaten« in Marburg und Fulda, bei dem Ehrenamtliche eine Schülerin oder einen Schüler bei Problemen unterstützen und für eine bessere Zukunft vorbauen möchten. Jedes fünfte Kind in Deutschland ist von Armut betroffen, Bildungsarmut ist dabei nur eine Folge der steigenden Kinderarmut. Häufig bleiben von Armut betroffene Kinder ihr Leben lang in Armut. Hier kann die Unterstützung durch Ehrenamtliche einen Beitrag leisten, um dies zu ändern, indem Kinder gefördert und unterstützt werden.

Einen weiteren positiven Effekt hat der Einsatz von Ehrenamtlichen: Sie tragen die Probleme der Ärmeren in die Gesellschaft, indem sie von ihrem Engagement berichten. Das sensibilisiert für die Probleme, die sozial Schwache haben, führt meist auch zu mehr Verständnis ihnen gegenüber. Ehrenamtliche sind also auch Multiplikatoren, die Mitbürgerinnen und Mitbürger dazu motivieren, etwas für den Zusammenhalt der Gesellschaft zu tun.

Dass sich Menschen engagieren, ist aber nicht selbstverständlich. Wer sich kurzfristig für ehrenamtliche Unterstützung, zum Beispiel in einer Wärmestube, entscheidet, bleibt noch längst nicht dauerhaft engagiert. Hier gilt es, Ehrenamt zu fördern, die Engagierten zu würdigen. Und nicht zuletzt müssen die Bedingungen, sich zu engagieren, möglichst unkompliziert sein. Dazu braucht es die Anstrengungen von Wohlfahrtsverbänden, Hilfsorganisationen, Initiativen und nicht zuletzt der Politik: Es gilt, funktionierende Strukturen für Ehrenamtliche zu schaffen, ehrenamtliche Arbeit wertzuschätzen und die Bürokratie an vielen Stellen so einfach wie möglich zu gestalten. Nur dann können Engagierte ihrer Tätigkeit nachkommen, die sie ohnehin schon oftmals neben Job, Familie und Co. ausüben, um anderen zu helfen. Und dieses Engagement ist umso wichtiger in Krisenzeiten, in denen der Hilfebedarf steigt.


Beitrag in den Europa-Nachrichten Nr. 11 vom 24.11.2022
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Ann-Katrin Jehn ist Referentin für Engagementförderung im Caritasverband für die Diözese Fulda e.V.

Kontakt:ann-katrin.jehn@caritas-fulda.de

Web:www.caritas-fulda.de


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