Beitrag im Newsletter Nr. 23 vom 18.11.2021

Kompetenznetzwerk »Selbst.verständlich Vielfalt!«

René Mertens

Inhalt

Mit Regenbogenparlamenten und dem »Que(e)r-Paket« für die Akzeptanz von LSBTIQ* in Jugendarbeit und Wohlfahrtspflege
Das LSVD-Projekt im Kompetenznetzwerk
Förderung von Regenbogenkompetenz durch Fachkräftefortbildung und Vernetzung
Que(e)r-Paket für die Jugendarbeit
Welche Inhalte werden in der Box zu finden sein?
Endnoten
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Redaktion

Mit Regenbogenparlamenten und dem »Que(e)r-Paket« für die Akzeptanz von LSBTIQ* in Jugendarbeit und Wohlfahrtspflege

Der Lesben- und Schwulenverband (LSVD) hat gemeinsam mit der Akademie Waldschlösschen und dem Bundesverband Trans* und Intergeschlechtliche Menschen e.V. ein bundesweit einmaliges Kompetenznetzwerk gegründet. Gemeinsam wollen die Verbände LSBTIQ*-Feindlichkeit entgegenwirken und die Akzeptanz von sexueller und geschlechtlicher Selbstbestimmung und Vielfalt in der Wohlfahrtspflege und in der Jugendarbeit fördern. Das Bundesprogramm »Demokratie leben!« fördert das Netzwerk im Themenfeld gegen Homosexuellen- und Trans*feindlichkeit.

Diskriminierung und abwertende Einstellungen gegenüber Lesben, Schwulen, Bisexuellen, trans*, intergeschlechtlichen und queeren Menschen (LSBTIQ*) sind auch heute noch tief in unserer Gesellschaft verwurzelt. Religiös-fundamentalistische, rechtsextreme und rechtspopulistische Kräfte kämpfen voller Hass darum, LSBTIQ* gleiche Rechte und Entfaltungsmöglichkeiten vorzuenthalten und sie wieder aus dem öffentlichen Leben zu drängen.

In der Wohlfahrtspflege und besonders auch in der Kinder- und Jugendarbeit sind vielfältige Lebensweisen und Identitäten abseits von Heterosexualität und Cis-Geschlechtlichkeit[1] kaum ein Thema. In Beratungsstellen und anderen Bereichen der Regelstrukturen, die besonders auch in der Kinder- und Jugendhilfe aktiv sind, tun sich Fachkräfte noch immer schwer damit, sexuelle und geschlechtliche Vielfalt als Querschnittsthema ihres professionellen Handelns mitzudenken. Oft fehlt es an Fachwissen, nicht selten an Sensibilität.

Das sind nur einige Faktoren, die dazu führen, dass die völlige gesellschaftliche Akzeptanz von LSBTIQ* noch heute Utopie statt Realität ist. Gleichzeitig haben abwertende Einstellungen gegen LSBTIQ*, Ideologien der Ungleichwertigkeit und Gewalt noch immer Konjunktur. Diesen Herausforderungen möchte der LSVD im Kompetenznetzwerk mit Bildungsmaterialien und Fortbildungen entgegentreten.

Das LSVD-Projekt im Kompetenznetzwerk

Im Rahmen des Netzwerkes fördert der LSVD den professionellen und diskriminierungsfreien Umgang mit Themen der sexuellen und geschlechtlichen Vielfalt («Regenbogenkompetenz») von Fachkräften der Wohlfahrtspflege und vor allem in den Regelstrukturen der Kinder- und Jugendhilfe. In unserer Vielfaltswerkstatt entwickeln wir gemeinsam mit Interessierten kreative Bildungsformate und qualifizieren Fachkräfte, um Rechtsruck und Homosexuellen-, Trans*- und Inter-Feindlichkeit selbstbewusst und wirksam zu begegnen.

Dabei ermutigen wir nicht nur zivilgesellschaftliche Organisationen zu einem bewussten Umgang mit menschenfeindlichen Einstellungen, sondern werben auch für ein solidarisches Miteinander der Organisationen. »Wir sind selbstbewusst. Wir sind vielfältig.« Diese klaren Botschaften wollen wir nicht nur in allen Ecken der Republik vermitteln, sondern auch im virtuellen Raum verbreiten.

Die bundesweiten Regenbogenparlamente, das Que(e)r-Paket für die Jugendarbeit (verfügbar ab 2022) und die virtuellen Vielfaltswerkstätten sind die wichtigsten Bausteine, mit denen wir die Regenbogenkompetenz im gesellschaftlichen Mainstream verankern wollen.

Die Regenbogenparlamente: Strategien gegen LSBTIQ*-Feindlichkeit entwickeln - Förderung von Regenbogenkompetenz durch Fachkräftefortbildung und Vernetzung

Das »Regenbogenparlament« hat sich seit seiner Premiere 2018 zum bundesweit einmaligen Leuchtturm-Forum zum Thema »Regenbogenkompetenz« entwickelt und bringt jedes Jahr mehrere hundert Fachkräfte aus Jugendarbeit, Politik, Schule, Verbänden, Bildung und Politik zusammen, stellt Beispiele guter Praxis vor, bietet Denkanstöße für die professionelle Arbeit und bildet Fachkräfte fort.

In den letzten Jahren standen dabei Themen wie Förderung der Vielfalt in Religionsgemeinschaften, Lebenswelten von LSBTIQ* in den Medien, Regenbogenkompetenz in der internationalen Jugendarbeit sowie in der Kultur- und Sprachpolitik und das Thema LSBTIQ* in Pflege und Alter im Mittelpunkt der Foren. Seit 2019 setzen wir mit Themen wie vielfältige Geschlechter in der Kinder- und Jugendhilfe, queer und sicher im Netz, Jugendverbandsarbeit queer gedacht, lesbische Sichtbarkeit in der Mädchen*arbeit oder auch sexuelle und geschlechtliche Vielfalt in Schule und Kita einen deutlichen Fokus auf die Kinder- und Jugendarbeit sowie auf die Lebenswelten von jungen LSBTIQ*.

Erschreckenderweise nehmen Gewalt und Anfeindungen auf queere Menschen stetig zu, das betrifft vor allem auch Jugendliche. Junge Menschen, die den heterosexuellen oder auch herrschenden binär-geschlechtlichen Normvorstellungen nicht entsprechen, sind mit Anfeindungen konfrontiert. Nicht selten findet diese Diskriminierung in der Öffentlichkeit statt, und zwar an scheinbar ganz »neutralen« Orten, wie im Nahverkehr, in der Fußgängerzone oder im Freizeitbereich wie Clubs, Bars oder Schwimmbädern. Schulen, Behörden, der medizinische Bereich, aber auch die eigene Familie werden von Jugendlichen benannt, wenn sie über verletzende Erfahrungen in ihrem Alltag berichten. Dies gilt auch für Einrichtungen, die Jugendliche eigentlich in ihrem Heranwachsen unterstützen und stärken sollen: Schulen und Einrichtungen der Jugendarbeit bzw. der Jugendhilfe sind häufig Orte, die nicht als offen und LSBTIQ* zugewandt gelten.

Was können jedoch die Kinder- und Jugendhilfe und andere Träger der Jugendarbeit tun, um für einen respektvollen Umgang mit vielfältigen Lebensweisen und Identitäten zu werben? Wie kann mit LSBTIQ*-feindlichen Äußerungen und Gewalt umgegangen werden und welche Ansatzpunkte gibt es, das Thema handpraktisch in die eigene professionelle Arbeit zu integrieren?

Darüber haben von Juni bis September 2021 mehr als 300 Fachkräfte, Wissenschaftler*innen und Aktive im Rahmen der #RainbowTalks zum Regenbogenparlament »Frei und sicher leben! Zum Umgang mit Gewalt und Anfeindungen gegen junge LSBTIQ*« diskutiert und neue Ansätze für die eigene Arbeit mit Kindern und Jugendlichen entwickelt. Konkret ging es um Schwerpunkte wie Jugendsport, Religion, Gewaltschutzprävention, sexuelle Bildung und intersektionales Handeln. Die Dokumentationen mit allen Strategien und Handlungsempfehlungen sind bereits unter www.lsvd.de/de/ct/3650 online verfügbar. Die gedruckte Fassung der Dokumentation des Regenbogenparlaments 2021 wird ab Januar 2022 kostenfrei unter rene.mertens@lsvd.de bestellbar sein.

Que(e)r-Paket für die Jugendarbeit

Neben den Regenbogenparlamenten soll die neue Methodenbox ab Frühjahr 2022 Fachkräften auch handpraktische Methoden und Materialien an die Hand geben, um Themen wie Queerness, Homophobie oder Vielfalt von Geschlecht zu thematisieren und mit Jugendlichen ins Gespräch zu kommen. Mehr als 1.000 Exemplare der Box werden wir als LSVD bundesweit für die Regelstrukturen der Kinder- und Jugendhilfe zur Verfügung stellen. Neben den Fachkräften richten sich die Materialien auch an Jugendliche zwischen 13 und 17 Jahren.

Welche Inhalte werden in der Box zu finden sein?

Im Que(er)-Paket für die Jugendarbeit befinden sich folgende Materialien

• Vielfalts-Check

• Vielfalts-Kalender

• Vielfalt im Gespräch-Diskussionsimpulse

• Escape-Game

• Vielfalts-Fibel

• Verschiedene Aufkleber

• Regenbogenfahne (60x90 cm)

• All-Gender-Card

Der Vielfalts-Check bietet Impulse, um mit Kolleg*innen über die Akzeptanz von vielfältigen Lebensweisen und Identitäten in der professionellen Arbeit ins Gespräch zu kommen, Haltungen zu reflektieren und über die Offenheit der Einrichtung zu sprechen. Der Vielfalts-Kalender möchte anlassbezogen (beispielsweise zum »Coming-Out Day« oder dem »Tag der lesbischen Sichtbarkeit«) zu Aktionen, Projekten oder Gesprächen anregen. Die Karten Vielfalt im Gespräch können begleitend eingesetzt werden. Das Escape-Game richtet sich direkt an Jugendliche und zieht die Spieler*innen in ein kleines Abenteuer voller Aufgaben und Rätsel. Sie tauchen in die Lebenswelt einer jungen queeren Person ein und erfahren, wie schmerzhaft Diskriminierung sein kann und wie wichtig Zusammenhalt, demokratische Teilhabe und Solidarität sind. Mit der Vielfalts-Fibel einfach und unaufgeregt über die wichtigsten Begriffe der sexuellen und geschlechtlichen Vielfalt sprechen können – dabei unterstützt die Fibel Fachkräfte und Jugendliche. Sie ist gleichfalls Bestandteil des Escape-Games und kann auch in Kombination mit den Karten »Vielfalt im Gespräch« genutzt werden. Die Aufkleber #WirlebenVielfalt, #TeamVielfalt und #QueerSupporter*in, die Regenbogenfahne und die All-Gender-Card helfen dabei, die Offenheit und Unterstützung der Einrichtung und der Fachkräfte zu zeigen. Begleitend zu den Materialien der Box werden jahresübergreifend auch Fachgespräche und Webtalks eine fachliche Rahmung für Träger*innen und Fachkräfte bieten. All das erwartet die Kinder- und Jugendhilfe schon im nächsten Jahr.

Darüber hinaus sollen die zukünftigen Fortbildungsangebote, Fachgespräche und Workshops noch stärker Themen wie Mehrfachdiskriminierung, Intersektionalität, diskriminierungsarme Räume und Kommunikation in den Blick nehmen. Im Rahmen eines Pilotprojektes soll auch ein Coaching-Format für Teams und Einrichtungen der Jugendarbeit geschaffen werden.

Neugierig auf unsere Arbeit? Dann besuchen Sie unsere Webseite www.selbstverstaendlich-vielfalt.de oder kontaktieren Sie uns direkt. Wir freuen uns auf Sie!

Ansprechpersonen für das Projekt sind: Jürgen Rausch, juergen.rausch@lsvd.de und René Mertens, rene.mertens@lsvd.de

Das Kompetenznetzwerk »Selbst.verständlich Vielfalt« wird im Rahmen des Bundesprogramms »Demokratie leben!« durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) gefördert.


Endnoten

[1] Cisgeschlechtliche Menschen sind Menschen, die in dem bei ihrer Geburt zugewiesenen Geschlecht leben bzw. sich damit wohlfühlen und identifizieren. Cisgeschlechtlichkeit gilt in unserer Gesellschaft als Norm mit der Folge, dass trans- oder intergeschlechtliche Menschen oftmals tabuisiert, abgewertet, diskriminiert oder gar angegriffen werden – LSVD-Glossar der Vielfalt: Kurze Definitionen der wichtigsten Begriffe. Online verfügbar unter: www.lsvd.de/de/ct/3385


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René Mertens ist Projektreferent beim Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD).

Kontakt: rene.mertens@lsvd.de


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