Beitrag im Newsletter Nr. 14 vom 16.7.2020

Engagierte Stadt in der Corona-Pandemie

Andreas Grau

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Engagierte Stadt in der Corona-Pandemie
Endnoten
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Redaktion

Die COVID-19 Pandemie hat die alltäglichen Gewissheiten und Routinen auf den Kopf gestellt. Sie betrifft auch zivilgesellschaftliche Organisationen und das bürgerschaftliche Engagement. Anfang Mai wurden die Koordinatoren aus den Engagierten Städten nach den Herausforderungen vor Ort und den Reaktionen hierauf gefragt. Dieser Beitrag bietet einen Überblick über die Ergebnisse und stellt Bezüge zu den Erkenntnissen einer qualitativen Befragung der ZiViZ gGmbH zur Situation zivilgesellschaftlicher Organisationen zu Beginn der COVID-19 Pandemie her.

Um Erkenntnisse über die Situation in der COVID-19 Pandemie wurden die Koordinatoren in den Engagierten Städten der Phase II angeschrieben. Es haben sich insgesamt 29 Koordinatoren an der Umfrage im Zeitraum vom 27. April bis 03. Mai 2020 beteiligt.

Zum Hintergrund: Das Programm Engagierte Stadt ist Anfang Juli in die dritte Phase eingestiegen. 2015 startete das Programm bundesweit in 50 Städten und Gemeinden mit einer Einwohnerzahl von 10.000 bis 100.000. Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, die Bertelsmann Stiftung, die BMW Stiftung Herbert Quandt, der Generali Zukunftsfonds, die Herbert Quandt Stiftung, die Körber-Stiftung und die Robert Bosch Stiftung investierten mehr als drei Millionen Euro und wagten einen Paradigmenwechsel in der Förderung des Bürgerengagements in Deutschland. Erstmals stehen nicht bestimmte Projekte oder Organisationsformen im Fokus. Gefördert werden stattdessen lokale Kooperationen unterschiedlicher Akteurinnen und Akteure. Im Gegensatz zu den gängigen Modellprogrammen setzt das Programm Engagierte Stadt auf die Lösungskompetenz der Agierenden vor Ort. Weitere Infos auf https://www.engagiertestadt.de/.

Die zentralen Befunde der Online-Befragung:

  • Viele Projektvorhaben mussten angepasst oder verschoben werden. Persönliche Treffen, Sitzungen und Aktivitäten sind nicht wie geplant möglich.

  • Die persönliche Beziehungspflege liegt teilweise auf Eis; diese wird zwar digital ermöglicht, was von vielen allerdings nicht als gleichwertig empfunden wird; insbesondere das Knüpfen neuer Kontakte gestaltet sich aus Sicht der Befragten schwieriger.

  • Der Umbau auf digitale Formate braucht Zeit und geht nicht überall reibungslos (als Gründe hierfür werden u.a. fehlende technische Infrastruktur und Anwenderkenntnisse genannt).

  • Öffentlichkeitswirksame Präsenzen bei (Groß-)Veranstaltungen vor Ort fallen weg, was wiederum negative Auswirkungen auf Partnerakquise und Sichtbarkeit in der Stadt hat.

  • Es wird teilweise berichtet, dass hauptamtliche Akteure ihre Leistungen eingestellt oder gekürzt haben.

  • Im Hinblick auf die aktuelle finanzielle Situation der Initiativen und Vereine vor Ort im Vergleich zu zwei Wochen davor gaben Anfang Mai 48 Prozent der Befragten an, dass diese unverändert sei (35 Prozent sagen etwas schlechter, 17 Prozent meinen viel schlechter).

  • Für die nahe Zukunft, befürchten 72 Prozent der Befragten eine Verschlechterung (kumuliert: etwas schlechter & viel schlechter) der finanziellen Lage für die Vereine und Initiativen in Ihrer Stadt innerhalb der kommenden 4-6 Wochen.

Die vollständige Präsentation der Ergebnisse im Rahmen des BBE Länderforums 1/2020 am 19.06.2020 steht hier[1] zur Verfügung.

Neben den Erkenntnissen aus der Online-Befragung der Koordinatoren aus dem Programm Engagierte Stadt wurden auch die Ergebnisse einer qualitativen Befragung zivilgesellschaftlicher Organisationen zu ihrer Situation und den Auswirkungen der COVID-19 Krise der ZiViZ gGmbH vorgestellt. Hierzu lassen sich aus dem Kontext des Programms Engagierte Stadt und vor dem Hintergrund der zuvor skizzierten Befragungsergebnisse einige Bezugspunkte herstellen: Sowohl in der ZiViZ-Studie »Die Lage des freiwilligen Engagements in der ersten Phase der Corona-Krise« als auch im Programm Engagierte Stadt hat sich erneut die schnelle Handlungsfähigkeit der Zivilgesellschaft, wie bereits im Sommer der Migration 2015, gezeigt. Die Bedeutung von bürgerschaftlichem Engagement für den gesellschaftlichen Zusammenhalt wurde zum wiederholten Male deutlich: Im Bereich der Nachbarschaftshilfe haben engagierte Einzelpersonen, aber auch Vereine und lokale Engagementstrukturen schnell Unterstützungsmaßnahmen etabliert. Es zeigt sich hinsichtlich der finanziellen Situation für zivilgesellschaftliche Organisationen in beiden Studien – wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß – die Sorge vor den kommenden Wochen und Monaten (das Bild ist etwas heterogen: je nach Organisationszweck unterscheiden sich die Erwartungen, wie gravierend die Einschnitte sein werden). Engagierte und Organisationen werden zur digitalen Transformation »gezwungen«, dies ist Chance und »kollektive Zumutung« zugleich, wie Holger Krimmer und Kollegen in der ZiViZ-Studie die Situation so treffend beschrieben haben. Hier braucht es Unterstützung sowohl mit Hardware, aber auch beim Ausbau der Anwenderkenntnisse mit digitalen Tools. Erneuert werden muss auch die Forderung nach einem besseren Netzausbau. Insbesondere in ländlichen / kleinstädtischen Regionen ist dies zwingend erforderlich.


Endnoten

[1] https://www.b-b-e.de/fileadmin/Redaktion/05_Newsletter/01_BBE_Newsletter/2020/7/newsletter-14-grau-praesentation.pdf


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Seit Anfang des Jahres 2020 verantwortet Andreas Grau im Programm Zukunft der Zivilgesellschaft bei der Bertelsmann Stiftung die Aktivitäten seitens der Stiftung im Netzwerkprogramm Engagierte Stadt. Er ist seit 2016 für die Bertelsmann Stiftung tätig und hat dort bisher vor allem zu Fragen des gesellschaftlichen Zusammenhalts gearbeitet. Zuletzt hat er ein Netzwerk von Stiftungen (»Allianz für gesellschaftlichen Zusammenhalt«) aufgebaut, die gemeinsam einen Beitrag zur Stärkung des Zusammenhalts leisten möchten. Vor seinem Wechsel in die Stiftung leitete er unterschiedliche empirische Forschungsprojekte am Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung an der Universität Bielefeld. Seine Perspektive, welche Bedeutung bürgerschaftliches Engagement vor Ort für das Zusammenleben hat, hat er im Kontext der Woche des bürgerschaftlichen Engagements im Jahr 2019 aufgeschrieben

Kontakt: andreas.grau@bertelsmann-stiftung.de
Twitter: @AndreasGrau10


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