Beitrag im Newsletter Nr. 13 vom 1.7.2021

Deutliche Verbesserungen für bürgerschaftlich Engagierte in der 19. Wahlperiode erreicht

Svenja Stadler, MdB

Inhalt

Viele Vorhaben und Erfolge
Neue gemeinnützige Zwecke
Übungsleiter- und Ehrenamtspauschale
Bürokratieabbau
Transparenzregister
Ausblick
Autorin
Redaktion

Viele Vorhaben und Erfolge

Mit den Unterschriften unter den Koalitionsvertrag wurden die Zielmarken für die 19. Wahlperiode auch für den Bereich der Engagementpolitik vorgegeben. Wir hatten uns vorgenommen: Eine Verbesserung des Gemeinnützigkeitsrechts, mehr Entbürokratisierung, die Gründung einer Engagementstiftung, den Ausbau der Mehrgenerationenhäuser sowie die Stärkung des Bundes- und der Jugendfreiwilligendienste.

Als engagementpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion war für mich klar, wie ein modernisiertes Gemeinnützigkeitsrecht auszusehen hat: Es muss Rechtssicherheit für zivilgesellschaftliche Organisationen liefern und dabei die Breite eines sich strukturell verändernden Engagements abbilden. Es soll einer Monetarisierung des Ehrenamtes entgegenwirken sowie Bürokratie abbauen und für mehr Transparenz staatlichen Handelns im gemeinnützigen Bereich sorgen. Die Grundlagen für einen stabilen gemeinnützigen Sektor liegen in der Rechts- und Planungssicherheit. Von zentraler Bedeutung waren deshalb klarere und präzisere Formulierungen von vorhandenen Zweckbestimmungen in der Abgabenordnung. Dieser sogenannte Katalog gemeinnütziger Zwecke ist durch uns erweitert worden, um ihn an gesellschaftliche Entwicklungen und Herausforderungen der Gegenwart anzupassen.

Neue gemeinnützige Zwecke

Um das regionale Engagement für die globale Aufgabe des Klimaschutzes gesellschaftlich anzuerkennen, haben wir »Klimaschutz« in den Katalog gemeinnütziger Zwecke aufgenommen. Wir unterstreichen die Anerkennung des Engagements gegen jede Form von Rassismus, indem wir die »Förderung der Hilfe für rassistisch Verfolgte« als Zweck aufnehmen. Wir haben die Unterhaltung und Pflege von Friedhöfen als neuen eigenständigen Zweck eingeführt. Bislang galten für Organisationen in diesem Bereich mehrere gemeinnützige Zwecke, die allesamt verfolgt werden mussten, um den Status der Gemeinnützigkeit zu erhalten. Die Zusammenfassung zu einem neuen gesonderten Zweck löst somit ein praktisches und rechtliches Problem vieler in diesem Bereich ehrenamtlich Engagierter. Bisher nicht gemeinnützig war die Förderung des Freifunks im Vergleich zum Amateurfunk. Unabhängig von bestehenden Netzen organisieren sich aber beide Gruppen mit dem gleichen Ziel, offene WLAN-Netze einzurichten und diese miteinander zu vernetzen. Da sie mit dieser Art des Engagements einen nicht-kommerziellen Zugang zu Bildung, Kommunikation und Information ermöglichen, haben wir den Freifunk als neuen gemeinnützigen Zweck in die Abgabenordnung mitaufgenommen. Das Engagement für die Verbesserung der örtlichen Lebensqualität im Dorf oder Stadtteil wird von jetzt an auch steuerlich gefördert und die Wichtigkeit des ländlichen Raums als Lebensraum für Menschen, Tiere und Pflanzen hervorgehoben. Die Fürsorge für psychische und seelische Erkrankungen bzw. Behinderungen haben wir der Fürsorge bei körperlichen Einschränkungen gleichgestellt, sie kann künftig ebenfalls in der Form eines steuerbegünstigten Zweckbetriebs ausgeübt werden. Ebenso wird die Flüchtlingshilfe in den Katalog der steuerbegünstigten Zweckbetriebe aufgenommen. Bisher musste bei jedem Einzelfall überprüft werden, ob die unterstütze Person auch wirklich auf Hilfe angewiesen ist, was bei Geflüchteten regelmäßig so ist. Die Flüchtlingshilfe kann jetzt auf diese bürokratische Anforderung verzichten. Durch die ausdrückliche Aufnahme des Schutzes von Personen, die aufgrund ihrer geschlechtlichen Identität bzw. Orientierung diskriminiert werden, wird eine moderne gesellschaftliche Entwicklung begleitet sowie die gesellschaftliche Anerkennung aller geschlechtlichen Identitäten und sexuellen Orientierungen gefördert.

Mit diesen Zweckbestimmungen in der Abgabenordnung geht es darum, den Interpretationsspielraum für örtliche Finanzämter einzuschränken und darum, mehr Rechtssicherheit für Vereine zu gewährleisten. Denn: Ein gutes Gemeinnützigkeitsrecht ist Bedingung dafür, dass die Anerkennung von Gemeinnützigkeit nicht von Geschmacksfragen oder Weltanschauungen abhängt. Die Aufnahme dieser Zweckbestimmungen in die Abgabenordnung war unumgänglich, da sich zivilgesellschaftliches Engagement stark verändert und Bereiche, in denen sich Bürgerinnen und Bürger engagieren, wandeln.

Übungsleiter- und Ehrenamtspauschale

Sich gemeinnützig zu betätigen heißt, dies freiwillig, unentgeltlich und gemeinwohlorientiert zu tun. Anerkennung für das Ehrenamt ist zentral, und dennoch ist der Grat zwischen einer gesteigerten Anerkennung vor allem in finanzieller Hinsicht und einer Monetarisierung des Ehrenamtes schmal. Engagement, neben dem Beruf und der Familie, ist zumeist mit viel Aufwand und auch unter dem Einsatz eigener finanzieller Mittel verbunden. Die meisten Organisationen erstatten den Engagierten diese Kosten pauschal. Sie sind dann steuerfrei, sofern bestimmte Grenzen nicht überschritten werden.

Seit 2013 galten die bisherigen Höchstgrenzen, welche nun von 2400 Euro auf 3000 Euro im Jahr beim Übungsleiterfreibetrag und von 720 Euro auf 840 Euro im Jahr bei der Ehrenamtspauschale angehoben werden. Aber ist die Erhöhung der Ehrenamts- und Übungsleiterpauschale tatsächlich die richtige Form der Anerkennung für Engagement oder führt sie zu mehr Missbrauch, wie beispielsweise zur Umgehung sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung durch die Kombination mit 450-Euro-Jobs? Das Gemeinnützigkeitsrecht darf keine Ausweichmöglichkeiten zum Mindestlohn schaffen! Zum anderen läuft die Monetarisierung ehrenamtlicher und freiwilliger Tätigkeitsformen dem Wesenskern gemeinnützigen Engagements als Zeitspende entgegen und eine intransparente Mischung unbezahlter und bezahlter Tätigkeitsformen bedroht die Kultur des gemeinnützigen Engagements.

Engagement ist Ausdruck eines aktiven Mitgestaltungsanspruchs der Zivilgesellschaft, die aktiv zur politischen Willensbildung beiträgt und unsere Demokratie bereichert, gestaltet und stärkt. Das zu erhalten, ist nur möglich durch eine starke Abgrenzung des Ehrenamts zu Erwerbsarbeit in Erwartung einer adäquaten finanziellen Gegenleistung. Eine solch klare Position folgt der engagementpolitischen Linie der SPD-Bundestagsfraktion seit der Einsetzung der Enquete-Kommission zur Zukunft des bürgerschaftlichen Engagements. Klar ist aber dennoch: Ein modernisiertes Gemeinnützigkeitsrecht muss in der Tat eine gestärkte Anerkennungskultur für das gemeinnützige Einbringen zum Ausdruck bringen, die sich nicht in Worthülsen erschöpft.

Bürokratieabbau

Es braucht Maßnahmen, die es Bürgerinnen und Bürgern und ihren Vereinen – insbesondere kleineren Vereinen – ermöglicht, sich auf das Eigentliche zu besinnen: ihr ehrenamtliches und bürgerschaftliches Engagement. Ein kleinerer Verein sollte keine Heerscharen von Steuerberaten benötigen, um durch das Gemeinnützigkeitsrecht zu navigieren. Dafür haben wir ein mehr an Bürokratieabbau umgesetzt. Bürokratiearme Verfahren und eine einfachere, flexiblere Handhabung in der Praxis bei gleichzeitiger Rechtssicherheit sind dabei die entscheidenden Stichpunkte. Neben steuerlichen Erleichterungen reduziert sich auch der bürokratische Aufwand für viele gemeinnützige Organisationen und ehrenamtlich Engagierte durch die Regelungen, die mit dem Jahressteuergesetz 2020 gefasst wurden.

Deshalb haben wir u.a. die steuerlichen Freigrenzen für wirtschaftliche Aktivitäten von 35.000 Euro auf 45.000 Euro erhöht und entlasten damit besonders kleinere Vereine und ihre Ehrenamtlichen. Für Vereine, die bis zu 45.000 Euro im Jahr einnehmen, entfällt zukünftig das Gebot der zeitnahen Mittelverwendung. Grundsätzlich müssen gemeinnützige Organisationen jeden eingenommenen Euro spätestens im übernächsten Jahr wieder für ihre steuerbegünstigten satzungsgemäßen Zwecke ausgegeben haben. Die Aufhebung der starren Mittelverwendungsregelung verschafft daher gerade den kleineren Organisationen und Vereinen die Bewegungsspielräume, die sie brauchen, um ihre Mittel für ihre Ziele zweckgerichtet einzusetzen.

Die Grenze bei der Steuererklärung für den vereinfachten Zuwendungsnachweis für Spenden und Mitgliedbeiträge wurde von 200 Euro auf 300 Euro hoch gesetzt. Bis zu diesem Betrag reicht der Kontoauszug als Beleg für Spendende als Spendenquittung zur Vorlage beim Finanzamt.

Mit einem zentralen Zuwendungsempfängerregister beim Bundeszentralamt für Steuern schaffen wir endlich Transparenz im Gemeinnützigkeitsrecht. Damit werden Informationen öffentlich zugänglich, nämlich, wer sich wo und für welche Zwecke einsetzt. Bürgerinnen und Bürger, aber auch Unternehmen ist es damit möglich, sich gezielt und verlässlich zu informieren, bevor sie spenden. Gleichzeitig wird das zentrale Register ein Hauptelement für die Digitalisierung der Spendenquittung sein.

Transparenzregister

Seit 2020 sind Vereine auf Wirken der SPD von Gebühren befreit, allerdings müssen sie einen Antrag beim Transparenzregister stellen und ihre Gemeinnützigkeit nachzuweisen, nach drei Jahren muss ein neuer Antrag gestellt werden. Dieser Gebührenbefreiungsprozess ist unzureichend kommuniziert worden und hat für Verwirrung bei den Vereinen gesorgt.

Kurz vor der nahenden Sommerpause haben wir jetzt geregelt, dass sich Vereine in der Zukunft nicht mehr eigenständig in das Transparenzregister eintragen müssen. Langfristig wird es eine technische Vernetzung zwischen Vereins- und Transparenzregister geben, wodurch Daten automatisch übertragen werden. Bis dies komplett umgesetzt ist, überträgt die Registerstelle die Daten ohne zusätzlichen Aufwand für die Vereine. Ab dem Jahr 2024 wird es ebenso eine technische Vernetzung zwischen dem neuen Zuwendungsempfänger- und dem Transparenzregister geben. Die registerführende Stelle erfährt dann automatisch, welche Vereine gemeinnützig sind, sodass ab 2024 kein Antrag mehr notwendig ist. Bis dahin wird es für den Übergangszeitraum einen stark vereinfachten Antrag geben, das Transparenzregister wird dafür auf die Vereine zukommen.

Ausblick

In der 19. Wahlperiode haben wir vieles auf den Weg gebracht und teils gute Kompromisse mit dem Koalitionspartner ausgehandelt. Um dem bürgerschaftlichen Engagement in der 20. Wahlperiode die Bedeutung zu geben, die es verdient, muss endlich ein ordentlicher Ausschuss Bürgerschaftliches Engagement eingesetzt werden. Das ist übrigens im Unterausschuss Bürgerschaftliches Engagement eine fraktionsübergreifende Forderung! Dies könnte analog zu der Einsetzung des Ausschusses Digitale Agenda in der 18. Wahlperiode geschehen, in dem alle digitalpolitischen Themen behandelt werden. Dabei könnte diesem neuen Vollausschuss mit die wichtigste Bedeutung zukommen: die Bürokratiebelastung im Engagementbereich weiter herunterzufahren und die fortschreitende Digitalisierung genau dafür zu nutzen. Wir müssen Strategien entwickeln, um bürgerschaftliches Engagement in der Öffentlichkeit sichtbarer zu machen. Ganz besonders müssen wir dabei die Bedeutung des freiwilligen Engagements von Bürgerinnen und Bürger für das Gemeinwohl noch mehr herausstellen. Einiges liegt noch vor uns: Packen wir es an!


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Autorin

Svenja Stadler, MdB, SPD, ist Mitglied im Unterausschuss Bürgerschaftliches Engagement.

Kontakt: svenja.stadler@bundestag.de


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