Beitrag im Newsletter Nr. 12 vom 18.6.2020

Modernisierungsbedarf im Gemeinnützigkeitsrecht aus Sicht der Vereinspraxis

Wolfgang Pfeffer

Inhalt

Anerkennungskultur und Annehmlichkeitenregelung
Die Beschränkung auf die Satzungszwecke
Der Umfang der wirtschaftlichen Betätigung
Der Umgang mit dem Finanzamt
Umsatzsteuer
Autor
Redaktion

Die Debatte um eine Modernisierung des Gemeinnützigkeitsrechts wird meist aus einer gesellschaftspolitischen Perspektive heraus geführt. Aktuell gilt das insbesondere für die Fragen nach der Zulässigkeit einer politischen Betätigung, die nach dem Entzug der Gemeinnützigkeit beim entwicklungspolitischen Netzwerk Attac aufkam. Ein zweiter Themenkreis in der öffentlichen Diskussion bewegt sich um Missbrauchsfälle wie die »Maserati-Affäre« bei der Berliner Treberhilfe oder die Gemeinnützigkeit rechtsextremer Organisationen. Bei letzteren hat die Finanzverwaltung aber ausreichend rechtliche Hebel zum Entzug der Gemeinnützigkeit.

Die Politik reagiert auf Forderungen nach einer Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements sehr verlässlich mit einer Anhebung der Freigrenzen und Freibeträge. An eine immer wieder geforderte Reduzierung der gemeinnützigen Zwecke (z.B. dem Streichen der freizeitbezogenen Zwecke des § 52 Nr. 23 Abgabenordnung [AO]) wagt sie sich ebenso verlässlich nicht heran.

Der folgende Beitrag nimmt fern dieser Debatten Regelungen des Gemeinnützigkeitsrechts in den Fokus, die in der praktischen Arbeit – insbesondere kleiner – Einrichtungen immer wieder Probleme bereiten. »Klein« bezieht sich dabei weniger auf die Mitgliederzahl, sondern auf eine ganz überwiegend ehrenamtliche Tätigkeit und einen geringen Umfang wirtschaftlicher Einnahmen.

Die aufgeführten Schwerpunkte für einen Reformbedarf entspringen keiner systematischen Erhebung, sondern einer über 25jährigen Weiterbildungs- und Beratungstätigkeit des Autors und den dabei gesammelten Rückmeldungen aus tausenden Vereinen und anderen gemeinnützigen Einrichtungen.

Einige der nachstehenden Vorschläge ließen sich durch Verwaltungsvorgaben umsetzen und bedürften keiner Gesetzesänderung.

Anerkennungskultur und Annehmlichkeitenregelung

Eine der häufigsten Unsicherheiten in gemeinnützigen Einrichtungen bezieht sich auf unentgeltliche Zuwendungen an Mitglieder und Ehrenamtler. Zwar hat sich hier in der finanzbehördlichen Praxis die Annehmlichkeitengrenze aus den Lohnsteuerrichtlinien eingebürgert. Sie beruht auf einer Erleichterungsregelung der Bundesfinanzverwaltung. Danach sind Sachgeschenke zulässig, soweit es sich um »Annehmlichkeiten handelt, wie sie im Rahmen der Betreuung von Mitgliedern allgemein üblich und nach allgemeiner Verkehrsauffassung als angemessen anzusehen sind« (Anwendungserlass zur Abgabenordnung [AEAO], Ziffer 11 zu § 55 Abs. 1 Nr. 1 AO).

Schon über die Höhe des Betrages besteht aber Uneinigkeit. So werden in machen Bundesländern bis zu 60 Euro pro Jahr akzeptiert, in anderen nur 40 Euro. Wieder andere lassen die erlaubte Höhe ganz offen. Teilweise werden solche Geschenke an weitere Bedingungen geknüpft, z.B. dass ihr Wert die Höhe des Mitgliedsbeitrags nicht überschreitet. Dem Wortlaut der Verwaltungsregelung nach sind solche Zuwendungen zudem auf Mitglieder beschränkt.

Im Sinne einer Verbesserung der Anerkennungskultur wäre es sinnvoll und praktikabel, eine gesetzliche Grenze für solche Sachzuwendungen einzuführen, die nicht auf Mitglieder beschränkt ist. Das Argument eines Missbrauchs, in der Form, dass damit faktisch die Beiträge wieder an die Mitglieder ausgeschüttet werden, hat dagegen wenig Gewicht. Es würde sich dazu anbieten, einen solchen Zuwendungsbetrag auf Vereine zu beschränken, bei denen die Mitgliedsbeiträge steuerlich abzugsfähig sind. Freizeitbezogene Zwecke wären dann nicht begünstigt.

Die Beschränkung auf die Satzungszwecke

Die Covid-19-Krise hat wieder einmal gezeigt, dass die enge Bindung an die satzungsmäßigen Zwecke ein Hindernis für gesellschaftliches Engagement ist. Vereine jeder Art sind eine gute organisatorische Basis, sich weit über die eigenen Satzungszwecke hinaus zu engagieren. Das Ausschließlichkeitsgebot des § 56 AO erweist sich in solchen Fällen regelmäßig als Problem. Die Finanzverwaltung (AEAO, Ziffer 2 zu § 56) legt es streng aus: »Will (…) eine Körperschaft steuerbegünstigte Zwecke, die nicht in die Satzung aufgenommen sind, fördern, so ist eine Satzungsänderung erforderlich (…)«.

Das gilt auch für die Zweckbetriebszuordnung. So fallen Einnahmen eines Sportvereins aus einer Kulturveranstaltung in den steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb. Diese – auch umsatzsteuerlich – nachteilige Behandlung ist unsinnig, zumal sie sich durch eine einfache Gestaltung umgehen lässt: Der Sportverein führt die Veranstaltung im Namen und auf Rechnung einer Kultureinrichtung durch und diese wendet die Nettoerlöse dem Sportverein zu.

Was im Bereich der Mittelverwendung zulässig ist – die Mittelweitergabe an Körperschaften mit anderen Satzungszwecken (§ 58 Nr. 2 AO) – könnte auch für die eigenen Tätigkeiten der Einrichtung möglich sein: Die Begünstigung einer Betätigung außerhalb der Satzungszwecke.

Seit der Abschaffung der unterschiedlichen Abzugsbeträge bei Spenden und des Durchlaufverfahrens besteht eine unterschiedliche Behandlung bei den gemeinnützigen Zwecken ohnehin nur noch beim Spendenabzug der Mitgliedsbeiträge.

Gemeinnützigen Einrichtungen sollte zumindest in gewissem Umfang die Möglichkeit gegeben werden, auch außerhalb der eigenen Satzungszwecke steuerbegünstigt tätig zu werden, wenn diese Zwecke gemeinnützigkeitsfähig sind. Im Fall der Covid-19-Krise hat die Finanzverwaltung das ausnahmsweise erlaubt. Es gibt keinen zwingenden Grund, diese Regelung nicht zu verallgemeinern.

Bisher bleibt gemeinnützigen Einrichtungen nur die Möglichkeit, die Satzungszwecke anzupassen. Das wird durch die Einstimmigkeitsregelung des § 33 BGB erheblich erschwert. Diese Einschränkung lässt sich zwar durch eine Satzungsregelung abbedingen. Das geht aber faktisch nur bei der Vereinsgründung. Das nachträgliche Einfügen in die Satzung unterliegt nämlich ebenfalls dem Einstimmigkeitserfordernis.

Der Umfang der wirtschaftlichen Betätigung

Gemeinnützige Einrichtungen entwickeln oft große Phantasie darin, Einnahmequellen für die Finanzierung ihrer Tätigkeiten zu erschließen. Nicht selten über wirtschaftliche Betätigungen, die sich außerhalb der Satzungszwecke bewegen. Zwar ist das nicht grundsätzlich schädlich für die Gemeinnützigkeit. Unklar ist aber, in welchem Umfang das zulässig ist. In Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs hat die Bundesfinanzverwaltung dafür eine recht wolkige Sprachregelung gefunden: Eine solche wirtschaftliche Betätigung, die keinen Zweckbetrieb darstellt, ist schädlich für die Steuerbegünstigung, »wenn sie in der Gesamtschau zum Selbstzweck wird und in diesem Sinne neben die Verfolgung des steuerbegünstigten Zwecks der Körperschaft tritt« (AEAO, Ziffer 1 zu § 56).

Diese Beschränkung leitet sich aus dem Ausschließlichkeitsgebot des § 56 AO ab. Ein steuersystematischer Grund für diese Beschränkung ist indes nicht zu erkennen. Mit solchen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben wird eine gemeinnützige Körperschaft nämlich »partiell steuerpflichtig«. Sie wird hier also nicht anders besteuert als jede nicht gemeinnützige Körperschaft des privaten Rechts. Lediglich die Umsatzfreigrenze des § 65 AO Abs. 3 (aktuell 35.000 Euro jährlich) privilegiert gemeinnützige Einrichtungen. Es handelt sich dabei aber um eine Freigrenze, keinen Freibetrag. Bei deren Überschreiten wird also der gesamte Gewinn bzw. Überschuss körperschaft- und gewerbesteuerpflichtig. Ein»Überwiegen« der nicht begünstigten wirtschaftlichen Tätigkeiten kann aber auch dann vorliegen, wenn die Umsatzfreigrenze damit nicht überschritten wird.

Der Wegfall des Ausschließlichkeitsgebots könnte zwar dazu führen, dass gewerbliche Unternehmen mit einem »gemeinnützigen Appendix« möglich wären. Es spricht aber wenig dagegen, weil nur dieser Teil steuerbegünstigt wäre. Umgekehrt würde es die Mittelbeschaffung bei gemeinnützigen Einrichtungen erleichtern und die Unsicherheit beseitigen, welchen Umfang eine solche wirtschaftliche Tätigkeit annehmen darf.

Das Argument, mit solchen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben würden finanzielle und sachliche Ressourcen gebunden, die nicht für die Satzungszwecke zur Verfügung stehen, greift nicht, weil das Gebot der zeitnahen Mittelverwendung eine solche Fehlverwendung eng begrenzt. Verluste bei nicht begünstigten Tätigkeiten sind darüberhinaus – unabhängig von deren Umfang – grundsätzlich schädlich für die Gemeinnützigkeit, wenn sie aus zweckgebundenen Mittel ausgeglichen werden. Ein Missbrauch ist damit ebenso mit dem Wegfall der Steuerbegünstigung sanktioniert wie der dauerhafte wirtschaftliche Misserfolg.

Das Ausschließlichkeitsgebot benachteiligt im Übrigen vorwiegend kleine gemeinnützige Einrichtungen. Ab einer gewissen Größe der Wirtschaftbetriebe ist nämlich eine Auslagerung in eine Vorschalt-GmbH das probate Mittel, die Gemeinnützigkeit zu sichern. Kleinere wirtschaftliche Geschäftsbetriebe, die trotz ihres geringen Umfangs die satzungsmäßigen Tätigkeiten überwiegen, lassen sich dagegen nicht effizient auslagern, weil der Verwaltungsmehraufwand hier unverhältnismäßig wäre.

Der Umgang mit dem Finanzamt

Der erste Kontakt mit dem Finanzamt verläuft bei gemeinnützigen Projekten, die auf entsprechende fachliche Beratung bei der Satzungsgestaltung verzichten, meist geradezu ritualhaft gleich: Oft wird die vorgelegte Satzung – fast immer hinsichtlich der Ausgestaltung der Satzungszwecke – moniert. Den gemeinnützigkeitsrechtlichen Laien machen die Ausführungen des Finanzamtes meist ratlos. Nicht selten wird die Gründungsidee dann verworfen und eine vermeintliche Willkür des Finanzamtes beklagt. Ein Blick auf das Ablehnungsschreiben des Finanzamtes zeigt aber meist, dass es sich mit der Begründung durchaus Mühe gegeben hat und oft klare Hinweise zur erforderlichen Gestaltung liefert, mit denen die Projektinitiatoren aber oft nichts anfangen können.

Das Beratungsverbot der Finanzämter ist für gemeinnützige Einrichtungen gelockert. Dennoch gibt es hier eine Kultur des Negativbescheides. Meist wäre es für die Finanzämter weniger arbeitsaufwändig, die Satzung mit dem Verein zusammen umzuschreiben, als wiederholte Ablehnungsbescheide zu formulieren. Eine einfache Verwaltungsvorgabe für die zuständigen Sachbearbeiter/innen könnte beiden Seiten viel Arbeit ersparen.

Der Vorschlag wäre hier, dass das Finanzamt zu einer Art »Servicestelle Gemeinnützigkeit« wird. Schließlich vertreten gemeinnützige Einrichtungen Gemeinwohlbelange, deren Unterstützung im staatlichen Interesse liegt, und nicht das Motiv eigennütziger Steueroptimierung.

Zu Bedenken ist dabei, dass die Gemeinnützigkeit auch außersteuerlich von Bedeutung ist. Hauptmotiv für den Erhalt der Steuerbegünstigung ist oft der Zugang zu Fördermitteln, die ausschließlich gemeinnützigen Einrichtungen gewährt werden.

Umsatzsteuer

Wegen der vergleichsweise niedrigen Kleinunternehmergrenze (22.500 Euro) sind ungleich mehr gemeinnützige Einrichtungen umsatzsteuer- als körperschaftsteuerpflichtig.

Wer kleine gemeinnützige Einrichtungen steuerlich für vergleichsweise unkompliziert hält, wird durch einen Blick auf die umsatzsteuerlichen Besonderheiten eines Besseren belehrt. Sie alle zu benennen, würde den Rahmen dieses Beitrags sprengen. Verwiesen sei nur auf den ermäßigten Steuersatz für Zweckbetriebe und die Umsatzsteuerbefreiungen der Nummern 18 bis 25 des Umsatzsteuergesetzes (UStG), die insbesondere auch – und z.T. ausschließlich – gemeinnützige Einrichtungen betreffen. Immerhin sind seit den jüngsten Änderungen des § 4 UStG deutsches und Gemeinschaftsrecht in diesen Punkten weitgehend deckungsgleich.

Abhilfe könnte eine deutliche Anhebung der Kleinunternehmergrenze schaffen. Das Gemeinschaftsrecht (Art. 284 Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie) bietet dafür ausreichend Spielraum. Sonderregelungen für gemeinnützige Einrichtungen sind dagegen mit dem obligaten Verweis auf Wettbewerbsverzerrungen weitgehend ausgeschlossen.


Beitrag im Newsletter Nr. 12 vom 18.6.2020
Für den Inhalt sind die Autor*innen des jeweiligen Beitrags verantwortlich.

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Wolfgang Pfeffer arbeitet seit über 25 Jahren als Fachautor, Dozent und Berater zu den Themen Vereine und Gemeinnützigkeit. Er betreibt das Fachinfoportal vereinsknowhow.de, erstellt den monatlichen Fachinfodienst »VereinsBrief« des IWW-Verlags und ist (Co-)Autor der Bücher »Buchhaltung für Vereine« (expert-Verlag) und »Vereine gründen und erfolgreich führen« (dtv).

Kontakt: www.vereinsknowhow.de


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