Beitrag in den Europa-Nachrichten Nr. 6 vom 9.7.2020

Gemeinnützige Organisationen und die COVID-19 Krise in Österreich

Franz Neunteufl

Inhalt

Charakteristik des 3. Sektors in Österreich
Auswirkungen der COVID-19 Pandemie
NPO Unterstützungsfonds
Ausblick
Endnoten
Autor
Redaktion

Gemeinnützig ist in Österreich, wer Zwecke verfolgt, durch deren Erfüllung die Allgemeinheit gefördert wird. Das trifft dann zu, wenn die Tätigkeit dem Gemeinwohl auf geistigem, kulturellem, sittlichem oder materiellem Gebiet nützt. Die österreichische Bundesabgabenordnung (BAO) enthält aber keine taxative Aufzählung, welche Zwecke darunter zu verstehen sind. Die Gemeinnützigkeit wird auch nicht durch die Behörde bescheidmäßig festgestellt. Das hat der Regierung zuletzt bei der Abgrenzung der Unterstützungsleistungen als Reaktion auf die COVID-19 Krise erhebliche Schwierigkeiten bereitet.

Charakteristik des 3. Sektors in Österreich

Wie in vielen anderen europäischen Ländern auch, spielen gemeinnützige Organisationen eine wichtige Rolle bei der Versorgung der Bevölkerung mit wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Dienstleistungen, für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und als Impulsgeber für Innovation und Veränderung. Der 3. Sektor beschäftigt etwa 250.000 Menschen oder 5,2 % der österreichischen Erwerbstätigen und trägt mit rund 11,5 Mrd. Euro 6,5 % zum BIP bei. Jeder dritte Österreicher und jede dritte Österreicherin engagiert sich freiwillig in einer oder mehreren gemeinnützigen Organisationen.

Es erstaunt daher und ist seit vielen Jahren Anlass für Kritik, dass über diesen wichtigen Sektor kaum zuverlässige Daten vorliegen. Die jetzt geplante Einführung eines NPO-Satellitenkontos in der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung durch die seit Jänner 2020 im Amt befindliche Regierung soll hier endlich Abhilfe schaffen.

Es kann daher derzeit niemand sagen, wie viele der rund 125.000 Vereine in Österreich gemeinnützig sind, das heißt die Voraussetzungen der §§ 34 – 47 BAO zumindest nach ihrer Rechtsgrundlage erfüllen. Auch bei der Frage, wie viele Kapitalgesellschaften und Privatstiftungen das tun, sind wir auf Schätzungen und Näherungen angewiesen. Wenig überraschend hat daher der Österreichische Rechnungshof vor einigen Jahren kritisiert, dass je nach Bundesland nur zwischen 8,4 % und 17,5 % der Vereine steuerlich erfasst waren.

Gemeinnützige Organisationen erfreuen sich somit in Österreich in steuerlicher Hinsicht gewisser Freiheiten, sind aber auch permanent dem Risiko ausgesetzt, im Falle einer Prüfung durch die Finanzbehörden sämtliche Begünstigungen zu verlieren und rückwirkend mit einer Steuerforderung konfrontiert zu werden.

Auswirkungen der COVID-19 Pandemie

Die große Heterogenität des Sektors im Verein mit der schlechten Datenlage und dem fehlenden Bewusstsein in der Verwaltung über den Umfang und die Bedeutung des Sektors sind plausible Gründe dafür, warum es nach den Covid-19 bedingten Einschränkungen Mitte März fast vier Monate gedauert hat, bis die österreichische Regierung ein den Hilfsmaßnahmen für die gewinnorientierten Unternehmen vergleichbares Hilfspaket für gemeinnützige Organisationen geschnürt hat. Dies, obwohl insbesondere Sport- und Kulturvereine und deren Verbände immer wieder öffentlich und lautstark Kompensationen für die durch die Pandemie entstandenen Einnahmenausfälle verlangt haben. Das NPO-Institut an der Wirtschaftsuniversität Wien schätzte die Corona bedingten Einbußen des Sektors Ende April je nach Sparte auf bis zu 50 % der Erlöse von 2019 oder rund 700 Mio. Euro.

NPO Unterstützungsfonds

Seit 8. Juli können nun auch gemeinnützige Organisationen, soweit sie die in der BAO verlangten Voraussetzungen erfüllen, freiwillige Feuerwehren, staatlich anerkannte Kirchen und Religionsgemeinschaften sowie Organisationen, an denen diese zu mehr al 50 % beteiligt sind, finanzielle Hilfen aus einem eigens für sie eingerichteten NPO Unterstützungsfonds beantragen. Der Fonds ist mit 700 Mio. Euro dotiert, gefördert werden Fixkosten wie Miete, Energiekosten, Zins- und Versicherungsleistungen, Kosten für Lohnverrechnung, Steuerberatung usw. bis zu einem Höchstbetrag von 2,4 Mio. Euro. Die Hälfte der Förderung wird unmittelbar nach Antragstellung ausbezahlt, der Rest nach Abrechnung und Vorlage entsprechender Kostenbelege.[1]

Ausblick

Die Covid-19 Krise und ihre Auswirkungen auf die gemeinnützigen Organisationen in Österreich waren eine Bewährungsprobe noch nie dagewesenen Ausmaßes auch für ihre Interessenvertretungen, die natürlich bei weitem nicht über die Ressourcen und Möglichkeiten der Wirtschaftsverbände verfügen. Rückblickend kann gesagt werden, dass sie diese Krise bis jetzt relativ gut gemeistert haben. Mit dem NPO Unterstützungsfonds ist in Österreich etwas gelungen, das in Europa noch seinesgleichen sucht. Ausschlaggebend dafür war und ist auch die Tatsache, dass wir in Österreich inzwischen wieder ein Regierungsprogramm und Ansprechpartner*innen im Nationalrat und in der Regierung haben, die uns auf die Umsetzung weiterer wichtiger gemeinsamer Projekte zugunsten der gemeinnützigen Organisationen und des Gemeinwohls in Österreich hoffen lassen.


Endnoten

[1] Alle Details dazu können unter www.npo-fonds.at nachgelesen werden.


Beitrag in den Europa-Nachrichten Nr. 6 vom 9.7.2020
Für den Inhalt sind die Autor*innen des jeweiligen Beitrags verantwortlich.

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Franz Neunteufl ist seit April 2011 Geschäftsführer der IGO – Interessenvertretung Gemeinnütziger Organisationen in Wien. Davor war er Projektleiter und Berater in der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit und Geschäftsführer von Ärzte ohne Grenzen Österreich. Seit 2016 ist er Sprecher und Koordinator des nach deutschem Beispiel gegründeten BÜNDNIS FÜR GEMEINNÜTZIGKEIT, dem bisher 19 Verbände und Netzwerke aus den Bereichen Bildung, Soziales, Beschäftigung, Inklusion, Jugend, Kultur, Umwelt und Entwicklungszusammenarbeit angehören.

Kontakt: franz.neunteufl@gemeinnuetzig.at
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