Beitrag in den Europa-Nachrichten Nr. 10 vom 12.11.2020

EU-Jugenddialog: Junge Menschen wirksam beteiligen

Linda Stein

Inhalt

Die Europäische Union und die Beteiligung von jungen Menschen
Zwischenüberschrift
EU-Jugenddialog: Junge Menschen wirksam beteiligen
Endnoten
Autorin
Redaktion

Die Europäische Union und die Beteiligung von jungen Menschen

Die Europäische Union steht unter Druck. Neben der Erschütterung durch die Corona-Pandemie sieht sich die Union vor großen Herausforderungen, die tief in ihr Selbstverständnis vordringen und grundsätzliche Fragen aufwerfen. In welcher Europäischen Union wollen wir leben? Wem bietet die Union Schutz? Und worauf gründen ihre Entscheidungen? Das sind nur einige der Fragen, die sich aufdrängen, blickt man auf die aktuellen Entwicklungen und das politische Geschehen in der EU.

Auch junge Menschen stellen Fragen wie diese. Und sie geben Antworten. Sie stellen Forderungen, die sie einbringen wollen und die bei politischen Entscheidungen zum Handeln führen müssen. Denn: Es leben nicht nur 142 Millionen Kinder und junge Menschen[1] in der Europäischen Union. Ihr Leben ist direkt von Entscheidungen der EU-Institutionen betroffen. Sie gestalten das Zusammenleben in der EU mit.

Um die Forderungen und Antworten junger Menschen bei politischen Entscheidungen einzubeziehen, hat die EU mit dem EU-Jugenddialog ein Jugendbeteiligungsinstrument geschaffen, das genau das zum Ziel hat.

Im Jahr 2018 beschloss der Rat der EU eine gemeinsame EU-Jugendstrategie für die Jahre 2019-2027. Seitdem bildet diese Strategie den Rahmen der jugendpolitischen Zusammenarbeit in der Europäischen Union. Die EU-Jugendstrategie stellt drei Schwerpunktbereiche in den Mittelpunkt: Beteiligung – Begegnung – Befähigung. Diese Bereiche sollen sektorübergreifend behandelt und mit Hilfe verschiedener Instrumente gestärkt werden, sodass sich die Situation junger Menschen verbessert und sich alle jungen Menschen am demokratischen Leben der EU beteiligen können. Um den Bereich der Beteiligung junger Menschen zu stärken, stellt die EU-Jugendstrategie das Jugendbeteiligungsinstrument »EU-Jugenddialog« vor.

Im Rahmen des EU-Jugenddialog gibt es in den Mitgliedstaaten und auf europäischer Ebene Dialoge zischen jungen Menschen und politisch Verantwortlichen. So können Entscheidungsträger*innen die Anliegen und Forderungen junger Menschen bei ihren politischen und zivilgesellschaftlich relevanten Entscheidungen einbeziehen. Durch die Dialoge haben jungen Menschen die Möglichkeit, ihre Anliegen zu diskutieren und in die Politik hineinzutragen. Politisch Verantwortliche können jungen Menschen zuzuhören, mit jungen Menschen zusammenzuarbeiten und ihre Anliegen bei politischen Entscheidungen einbeziehen.

Der EU-Jugenddialog bietet einen nachhaltigen Prozess der Jugendbeteiligung an. Das bedeutet: Dialoge und Beteiligungsprozesse laufen strukturiert ab, Ergebnisse von Jugendbeteiligung werden gesammelt, gebündelt und in politische Entscheidungsprozesse eingespeist. Aus dem Blickwinkel nachhaltiger Beteiligung von jungen Menschen sind diese Aspekte essentiell und absolut notwendig. Denn die Versprechen von Beteiligung, bei der de facto keine Ergebnisse erzielt und keine Veränderungen zu sehen sind, sind frustrierend. Junge Menschen, die motiviert sind, die ihre Zeit, Energie und Ideen einbringen und am Ende eines Beteiligungsprozesses nicht viel mehr als eine Goodie-Bag mitnehmen können, werden durch solch ein falsche Erwartungsmanagement demotiviert.

Der EU-Jugenddialog hat sich zur Aufgabe gemacht, Beteiligung mit Wirkung zu gestalten. Die Beteiligungsprozesse im EU-Jugenddialog sind in 18-monatige Zyklen getaktet. Diese Zyklen wiederum sind an die Trio-Ratspräsidentschaften des Rates der EU gekoppelt. Während einer Trio-Ratspräsidentschaft formen und gestalten die Mitgliedstaaten des Trios den jeweiligen EU-Jugenddialogs-Zyklus mit. Sie finden sich dafür auf europäischer Ebene in einer Europäischen Lenkungsgruppe zusammen, die die Parameter und eine inhaltliche Ausrichtung für den EU-Jugenddialog-Zyklus ihrer Trio-Ratspräsidentschaft vorgibt. Dieser Rahmen wird bei der Umsetzung des EU-Jugenddialogs in den Mitgliedstaaten berücksichtigt. Durch die Koordination der Europäischen Lenkungsgruppe gelingt EU-weit ein einheitlicher Beteiligungsprozess, dessen Ergebnisse gesammelt und gebündelt an politisch Verantwortliche weitergegeben werden.

Aktuell läuft die Trio-Ratspräsidentschaft von Deutschland, Portugal und Slowenien und damit der 8. Zyklus des EU-Jugenddialogs. Die Europäische Lenkungsgruppe setzt sich in diesem Zyklus aus Vertreter*innen der Nationalen Jugendringe und Vertreter*innen der Jugendministerien der drei Mitgliedstaaten zusammen. Gemeinsam mit Vertreter*innen des Europäischen Jugendforums und der Europäischen Kommission haben sie für diese 18 Monate einen Rahmen für Jugendbeteiligung in der EU gesetzt. Der 8. Zyklus des EU-Jugenddialogs trägt den Titel »Europe for YOUth – YOUth for Europe. Space for Democracy and Participation«. Das Fokusthema ist das Europäische Jugendziel #9 »Räume und Beteiligung für alle«. Im 8. Zyklus des EU-Jugenddialogs geht es nun überall in der EU darum, zum Thema »Räume und Beteiligung für alle« in Dialoge zu treten, Probleme und Herausforderungen zu diskutieren, gemeinsam Lösungen zu entwickeln und diese Lösungen in die Tat umzusetzen. So soll das Europäische Jugendziel #9 erreicht werden.

Das Europäische Jugendziel #9 ist eines von 11 Europäischen Jugendzielen[2], die von 50.000 jungen Menschen im Rahmen des EU-Jugenddialogs (bzw. seines Vorgängers, dem Strukturierten Dialog) erarbeitet und formuliert worden sind. Sie beschreiben die Ziele, die junge Menschen für die Europäische Union sehen und fordern. Die EU-Jugendstrategie, der die Europäischen Jugendziele anhängen, beschreibt sie als Vision junger Menschen, zu deren Verwirklichung die Strategie beitragen soll. Indem der 8. Zyklus des EU-Jugenddialogs das Erreichen des Europäischen Jugendziels #9 in den Fokus rückt, wird den Forderungen junger Menschen entsprochen, daran zu arbeiten, »Räume und Beteiligung für alle« zu schaffen.

Der EU-Jugenddialog in Deutschland

Der EU-Jugenddialog wird in allen Mitgliedstaaten der EU umgesetzt. In Deutschland wird er auf allen Ebenen und auf vielen Wegen organisiert. Ob bei bundesweiten Veranstaltungen, bei regionalen Projekten oder in der Gruppenstunde im Jugendverband um die Ecke. Junge Menschen können sich auf unterschiedliche Art und Weise beteiligen, politische Forderungen formulieren, mit Politiker*innen diskutieren und gemeinsam erarbeitete Lösungen umsetzen. Dabei werden sie durch das jump-Team unterstützt. [3] Die Ergebnisse verschiedenen Beteiligungsformate und Dialoge werden in Deutschland gesammelt und durch die EU-Jugendvertreter*innen auf europäischer Ebene bei den EU-Jugendkonferenzen mit politischen Entscheidungsträger*innen diskutiert. So können die Forderungen junger Menschen von überall aus der EU zum Beispiel Eingang in die jugendpolitischen Schlussfolgerungen und Entschließungen des Rates der EU finden und Auswirkungen auf das Handeln der Europäischen Kommission haben. Durch europaweite Umfragen können junge Menschen aus Deutschland auch online ihre Forderungen und Ideen einbringen. Die Möglichkeiten der Beteiligung im EU-Jugenddialog sind also vielfältig, auf EU-Ebene und auch in Deutschland. Doch ist die Beteiligung auch wirksam?

EU-Jugenddialog: Junge Menschen wirksam beteiligen

Der EU-Jugenddialog ist ein Jugendbeteiligungsinstrument der Europäischen Union. Er bietet einen Rahmen, in dem strukturiert Anliegen junger Menschen gesammelt und in politische Prozesse eingespeist werden können. Er ermöglicht einen Dialog auf Augenhöhe zwischen jungen Menschen und politisch Verantwortlichen. Damit sind schon einmal viele Kriterien von wirksamer Jugendbeteiligung erfüllt. Jedoch gibt es ein weiteres Kriterium, das noch ausbaufähig ist: die Wirkung. Durch den EU-Jugenddialog haben die Stimmen junger Menschen bereits Eingang in Politik gefunden. Ein prominentes Beispiel dafür sind die Europäischen Jugendziele als Teil der EU-Jugendstrategie. Das reicht jedoch nicht. Junge Menschen, die sich im EU-Jugenddialog beteiligen, wollen noch mehr Wirkung sehen. Ihre Forderungen müssen von politisch Verantwortlichen ernst genommen und umgesetzt werden. Das muss überall passieren: auf lokaler, regionaler, nationaler und europäischer Ebene. Der EU-Jugenddialog bietet einen guten Rahmen, muss aber stärker genutzt werden. So sind junge Menschen, Jugendverbände und demokratischen Jugendorganisationen angehalten, sich zu beteiligen. Vor allem aber sind politisch Verantwortliche angehalten, jungen Menschen zuzuhören, Dialoge anzubieten und die Dialogergebnisse dann auch wirklich umzusetzen. Denn nur wenn junge Menschen ernst genommen werden und Ergebnisse Wirkung entfalten, kann von wirksamer Jugendbeteiligung die Rede sein.

Der Jugenddialog ist ein Projekt des Deutschen Bundesjugendrings. Er wird gefördert vom Bundesministerium für Frauen, Senioren, Frauen und Jugend und kofinanziert durch das Programm Erasmus+ der Europäischen Union.


Endnoten

[1] Unter Kinder und junge Menschen sind hier Menschen zwischen dem 0 – 29 Lebensjahr gefasst. Stand ist der 1. Januar 2019. Vgl. Eurostat (2020): »Being young in Europe today - executive summary«: https://ec.europa.eu/eurostat/statistics-explained/index.php/Being_young_in_Europe_today_-_executive_summary#E2.80.A6_while_its_families_are_developing_and_adapting_to_changes_in_society

[2] Die 11 Europäischen Jugendziele sind auf der Website des EU-Jugenddialogs in Deutschland zu fin-den: https://jugenddialog.de/youth-goals/.

[3] Sämtliche Beteiligungsmöglichkeiten im Jugenddialog sind hier zu finden: https://jugenddialog.de/.


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Für den Inhalt sind die Autor*innen des jeweiligen Beitrags verantwortlich.

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Autorin

Linda Stein ist Leiterin des Referats Jugenddialog beim Deutschen Bundesjugendring.

Kontakt: linda.stein@dbjr.de | jugenddialog@dbjr.de



Weitere Informationen:
- www.dbjr.de
- www.jugenddialog.de


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