Beitrag in den Europa-Nachrichten Nr. 10 vom 12.11.2020

Jugend und die Zukunft Europas

Carina Autengruber

Inhalt

Die größten Gefahren für unsere Demokratien
Gleichberechtigung als Kompass
Unsere Demokratien brauchen eine lebendige Zivilgesellschaft
Autorin
Redaktion

Die größten Gefahren für unsere Demokratien

Seit Jahresbeginn dominiert Covid-19 unsere Leben und wird dies auch noch in den kommenden Monaten tun. Während wir uns alle an eine neue Lebensrealität anpassen mussten, ist das auffallendste Merkmal an der Pandemie, dass diese – wie auch bereits vorangegangene Krisen – sich besonders negativ auf vulnerable Personen in unserer Gesellschaft auswirkt. Bereits zuvor bestehende Ungleichheiten haben sich durch die Pandemie verschärft. Als junge Generation mögen wir nicht am stärksten von der Gesundheitskrise betroffen sein, aber ihre Konsequenzen werden die Nachteile junger Menschen für die kommenden Dekaden sein, wenn keine entsprechenden Maßnahmen getroffen werden.

Keine Region in der Welt war vorbereitet auf diese Pandemie, Europa inklusive. Während der Lockdown eine notwendige Maßnahme war, um Menschenleben zu retten und unser Gesundheitssystem nicht zu überlasten, ließ es tausenden Menschen und vor allem junge Menschen ohne ein stabiles Einkommen. Was wird die bevorstehende wirtschaftliche Rezession bringen, wenn nicht in die sozialen Rechte von Bürgerinnen und Bürgern investiert wird? Wozu Austerität und fehlende Solidarität führen können, hat sich in der vorangegangen Finanzkrise gezeigt. Europa und die einzelnen Länder dürfen nicht ein zweites Mal in diese Falle tappen und junge Menschen im Stich lassen, denn Ungleichheiten sind eine der größten Gefahren für unsere Demokratien.

Gleichberechtigung als Kompass

Gleichberechtigung ist das Fundament einer nachhaltigen, funktionierenden und progressiven demokratischen Gesellschaft. Und jetzt, wo die Welt angesichts dieser Krise beginnt, sich neu zu formieren und Regierungen diskutieren, welchen Weg sie beschreiten werden, muss Gleichberechtigung unser leitender Kompass sein.

Junge Menschen sind verstärkt von der Krise betroffen. Für uns, die junge Generation, ist es am wahrscheinlichsten unseren Arbeitsplatz zu verlieren und nicht vom sozialen Schutznetz aufgefangen zu werden. Laut Daten der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) hat einer von sechs jungen Menschen seinen Arbeitsplatz aufgrund wirtschaftlicher Konsequenzen im Zusammenhang mit Covid-19 verloren.

Bereits vor der Pandemie befanden sich junge Menschen in prekären Arbeitsbedingungen, welche uns jetzt in eine noch vulnerablere Position drängen. Seit 2008 ist Jugendarbeitslosigkeit konsequent höher; mehr als zweimal so hoch als die allgemeine Arbeitslosenrate in der Europäischen Union. Prekäre Arbeitsverträge, die oft nicht einmal ein selbstständiges Überleben gewährleisten, sind eine Realität vieler junger Menschen. Mit dieser neuen Krise werden wir erneut sehen, wie vor allem die junge Generation ihre Jobs verliert. Einer von drei jungen Menschen ist in Bereichen wie zum Beispiel dem Handel beschäftigt, die am stärksten von den ökonomischen Konsequenzen der Krise betroffen sind.

Die prekäre Situation am Arbeitsmarkt wirkt sich zudem im Zugang zu sozialen Rechten aus, die vermehrt beitragsbasierend aufgebaut sind. Wie können junge Menschen darauf zugreifen, wenn ein System von prekären Arbeitsverträgen dies nicht zulässt?

Die Pandemie wirkt sich aber auch auf Bereiche wie Bildung und Training aus. Bereiche, die wiederum von besonderer Relevanz für junge Menschen sind. Schulen und Universitäten waren geschlossen, Lehrausbildungen und Praktika wurden unterbrochen, verschoben oder fanden online statt. Während lernen auf Distanz Vorteile mit sich bringen kann, so sind wiederum einige Gruppen benachteiligt betroffen. Wie lernt es sich in einer kleinen Wohnung, wenn die ganze Familie zuhause ist? Wer kann am Unterricht teilnehmen, wenn es daheim nur (k)einen Computer gibt? Zudem bringt ein Ausbildungsabschluss während einer Rezession signifikante Konsequenzen für das Leben junger Menschen und Karriereaussichten. Schon jetzt steigt die Zahl junger Menschen ohne Obdach. In den kommenden Monaten können Einkommensverluste die Situation weiterhin verschärfen.

Wo Ungleichheit regiert, gibt es keine Hoffnung für ein starkes demokratisches System, welches auf Menschenrechten und einer lebendigen Zivilgesellschaft aufbaut. Wenn Menschen sich Sorgen machen müssen, ob sie ein Dach über dem Kopf haben, bleibt oft kein Platz, um sich aktiv in der Gesellschaft einzubringen. Wenn Ungleichheit regiert, ist unsere Demokratie in Gefahr.

Unsere Demokratien brauchen eine lebendige Zivilgesellschaft

In der aktuellen Pandemie, in der Sicherheitsmaßnahmen notwendig waren und sind, um unsere Bevölkerung zu schützen, spürten wir auch alarmierende Nebenwirkungen, die unseren zivilgesellschaftlichen Raum betreffen. Einige Regierungen haben die Gesundheitskrise genutzt und »Demokratie unter Quarantäne« gestellt. Während Zeichen eines immer kleiner werdenden öffentlichen Raums bereits vor Covid-19 zu erkennen waren, so hat die Pandemie diesen Trend verstärkt und unsere Zivilgesellschaft stärker unter Druck gesetzt. Die Arbeit von Jugendorganisation, beispielsweise in der Organisation von Austauschprogrammen, aber auch die Gestaltung von Aktivitäten auf lokaler Ebene, ist massiv beeinträchtigt. Bei vielen Jugendorganisationen basiert die Arbeit auf Projekten, die in der aktuellen Krise nicht durchgeführt werden können und somit ist die finanzielle Stabilität dieser Organisationen gefährdet. Doch was würde unsere Gesellschaft ohne diesen wertvollen Partizipationsraum bedeuten? Jugendorganisationen und junge Menschen waren unter den Ersten, die auf die Krise reagiert haben und Freiwillige in ihrer lokalen Umgebung mobilisiert haben, um Menschen, die Unterstützung benötigt haben, nicht im Stich zu lassen.

Aber für Europa muss Jugendpartizipation ein Schlüsselelement sein. Was wir von dieser Pandemie und ihrer Wirkung lernen können, ist, dass eine lebendige Zivilgesellschaft, in der Respekt für Menschenrechte Realität sind, das Fundament für eine funktionierende Demokratie sind.

Der Aufbau nach Covid-19 muss Menschenrechte in den Vordergrund stellen und muss unterschiedliche zivilgesellschaftliche Akteure wie Jugendorganisationen einbeziehen. Gemeinsam können wir unsere Demokratien stärken!


Beitrag in den Europa-Nachrichten Nr. 10 vom 12.11.2020
Für den Inhalt sind die Autor*innen des jeweiligen Beitrags verantwortlich.

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Autorin

Carina Autengruber ist Präsidentin des Europäischen Jugendforums, der weltweit größten Plattform von Jugendorganisationen und die repräsentative Stimme junger Menschen in Europa. Als Vorsitzende der Organisation bringt sich Carina Autengruber für die Rechte von jungen Menschen auf europäischer und globaler Ebene ein. Carina Autengruber hat an der Universität Wien Internationale Entwicklung und Politikwissenschaften studiert. Derzeit lebt sie in Portugal, wo sie an der Nova School of Business and Economics als Summer School Managerin beschäftigt ist.

Kontakt: carina.autengruber@youthforum.org
Weitere Informationen: https://www.youthforum.org/


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