Beitrag in den Europa-Nachrichten Nr. 1 vom 28.1.2021

Grenzüberschreitendes bürgerschaftliches Engagement: Der Deutsch-Französische Bürgerfonds

Michael Tetzlaff

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Grenzüberschreitendes bürgerschaftliches Engagement: Der Deutsch-Französische Bürgerfonds
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Für die Förderung des Engagements in Deutschland war das Jahr 2020 in mehrfacher Weise ein Meilenstein: Wir haben die Deutsche Stiftung für Engagement und Ehrenamt ins Leben gerufen, die Engagement insbesondere im ländlichen Raum unterstützt und die Digitalisierung voranbringen wird. Im Programm »Demokratie leben!« haben wir erreicht, dass die Förderung von Maßnahmen zur Demokratieförderung und Extremismusprävention langfristig auf hohem Niveau fortgesetzt wird. Im Bundesprogramm »Menschen stärken Menschen« konnten mehr als 130.000 Patenschaften verzeichnet werden, und am Netzwerkprogramm »Engagierte Stadt« nehmen inzwischen mehr als 100 Städte teil. Wir haben den Blick aber auch über den Tellerrand gerichtet: Mit der Schaffung des Deutsch-Französischen Bürgerfonds wird auch grenzüberschreitendes Engagement gezielt gestärkt. Der Bürgerfonds ist ein wichtiger Grundstein, auf dem aufbauend die Zivilgesellschaften beider Länder ihre Zusammenarbeit noch intensivieren können, und gerade in Zeiten der Corona-Pandemie ein starkes Signal des deutsch-französischen Zusammenhaltes.

Hatte beim Élysée-Vertrag vom 22. Januar 1963 noch die Aussöhnung von Deutschland und Frankreich im Mittelpunkt gestanden, so ist im Aachener Vertrag vom 22. Januar 2019 die Freundschaft der beiden Länder im Rahmen eines geeinten Europas bekräftigt worden. Ein zentrales Anliegen des Aachener Vertrags ist es, die ohnehin schon regen Beziehungen zwischen der deutschen und der französischen Zivilgesellschaft noch weiter zu intensivieren und dem politischen Tandem der zwei Staaten neuen Elan zu verleihen. Um das zu erreichen, sieht der Vertrag die Einrichtung eines gemeinsamen Bürgerfonds vor, der Bürgerinitiativen und Städtepartnerschaften fördern und unterstützen soll. Der Bürgerfonds soll als Leuchtturmprojekt zur Stärkung des Austauschs zwischen beiden Ländern fungieren.

Dass dieser deutsch-französische Bürgerfonds trotz aller Beschränkungen und zeitweiligen Grenzschließungen infolge der Corona-Pandemie im April 2020 an den Start gehen konnte, ist ein besonders bemerkenswerter und erfreulicher Vorgang. Natürlich haben wir uns die Frage gestellt: Macht es Sinn und funktioniert es überhaupt, in Zeiten wie diesen eine Initiative ins Leben zu rufen, die grenzüberschreitendes Engagement fördert? Die Antwort war eindeutig und einstimmig: Jetzt erst recht! Wir wollten ein starkes Zeichen grenzüberschreitender bürgerschaftlicher Zusammenarbeit setzen. Denn gerade während der Krise wurde noch einmal deutlich: Eine engagierte Zivilgesellschaft ist unverzichtbar für ein funktionierendes demokratisches Gemeinwohl.

Gemeinsam mit unseren französischen Freundinnen und Freunden sowie dem Deutsch-Französischen Jugendwerk haben wir den Bürgerfonds im letzten Jahr ins Leben gerufen. Bereits seit dem 16. April 2020 können Bürgerinitiativen und Städtepartnerschaften online auf der Webseite www.buergerfonds.eu ihre Förderanträge stellen. Der Bürgerfonds soll vor allem eine Förderung im niedrigschwelligen Bereich und ohne große bürokratische Hürden in Form maßnahmenbezogener Finanzierungshilfen ermöglichen. Eine Antragstellung über die Webseite des Bürgerfonds ist daher problemlos möglich.

Der Bürgerfonds ist auf einem guten Weg: Die Antragszahlen zeigen, dass viele Menschen aus Frankreich und Deutschland die neue Möglichkeit nutzen, eine Förderung für ihre Projekte und Ideen zu erhalten. So wurden in 2020 insgesamt 123 Förderanträge gestellt, von denen 109 Anträge bewilligt wurden. 94 Projekte konnten trotz der pandemiebedingten, erschwerten Bedingungen stattfinden, 15 Projekte mussten wegen der Corona-Pandemie leider abgesagt werden. Der Bürgerfonds konnte sowohl kleinere Projekte wie Online-Seminare, Musikprojekte oder Sprach-Workshops finanziell unterstützen, als auch aufwändigere und nachhaltigere Projekte wie digitale Kunstaustellungen oder Online-Konferenzen finanziell fördern. Kleinere Projektideen erhalten eine finanzielle Förderung von bis zu 5.000 Euro, größere Projekte können Fördersummen von bis zu 50.000 Euro erhalten und die ganz großen sogenannten Leuchtturmprojekte werden mit über 50.000 Euro unterstützt.

Ein schönes Beispiel für grenzüberschreitendes Engagement wurde von Bürgerinnen und Bürgern eingereicht, die vornehmlich aus den Grenzregionen in Baden-Württemberg und dem Elsass stammen. Sie haben einen Bürgerrat eingerichtet, der nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie als Raum für Debatten und den Austausch zwischen Bürgerinnen und Bürgern aus beiden Ländern sowie lokalen Regierungen zur Frage der Resilienz des Grenzgebiets dient. Der Bürgerrat erarbeitet in einem Aktionsplan Vorschläge und Empfehlungen zur Verbesserung im Gesundheitsbereich mit dem Ziel, das deutsch-französische Grenzgebiet zu einem krisenresistenteren Gebiet zu machen, basierend auf Kooperation und Vertrauen.

Es sind Beispiele wie diese, die den Geist und die Motivation des Bürgerfonds illustrieren. Städtepartnerschaften und die vielfältigen deutsch-französischen Bürgerinitiativen bilden das Rückgrat der deutsch-französischen Freundschaft. Insgesamt gibt es rund 2.300 deutsch-französische Städtepartnerschaften mit tausenden Menschen, die sich für den grenzüberschreitenden Dialog, für gegenseitiges Verständnis und ein friedliches, demokratisches Miteinander im Herzen Europas einsetzen. In der Vereinigung Deutsch-Französischer Gesellschaften kommen 160 Mitgliedsorganisationen zusammen, in denen insgesamt über 20.000 an Frankreich interessierte Bürgerinnen und Bürger vereint sind. Auch sie sind eine der tragenden Säulen der deutsch-französischen Freundschaft. Mit dem neu eingerichteten Deutsch-Französischen Bürgerfonds stehen wir all diesen Städtepartnerschaften und Bürgerinitiativen zur Seite – aus Überzeugung.

Denn so sehr wir die deutsch-französische Zusammenarbeit auf der politischen Ebene brauchen, die Freundschaft zwischen unseren beiden Ländern muss von den Bürgerinnen und Bürgern immer wieder mit Leben erfüllt werden. Und diese gelebte, deutsch-französische Freundschaft soll der Bürgerfonds unterstützen. Er leistet einen wesentlichen Beitrag dazu, alle Menschen, die sich engagieren wollen, einzubeziehen – unabhängig von ihrer Herkunft, ihrem Alter, ihrem Geschlecht oder von ihren Sprachkenntnissen. Städtische wie ländliche Bevölkerungskreise sowie Personen aller Bevölkerungsgruppen sind herzlich eingeladen, sich einzubringen. So wird das grenzüberschreitende, deutsch-französische Engagement auf eine breite gesellschaftliche Basis gestellt und so können neue, zeitgemäße Schwerpunkte gesetzt werden. Die Projekte können vor Ort unterschiedliche Partner mobilisieren und neben den bereits engagierten Personen ganz bewusst neue Zielgruppen erreichen. Auch eine Vernetzung und der generationenübergreifende Erfahrungsaustausch zwischen Städtepartnerschaften bzw. Bürgerinitiativen – etwa durch Veranstaltungen oder auch durch die Nutzung digitaler Medien – werden vorangetrieben.

Mit alldem leisten wir unseren Beitrag für ein vielfältiges und innovatives Engagement von Jung und Alt. Für eine starke deutsch-französische Freundschaft und unseren Zusammenhalt. Für ein Europa in Frieden und Freiheit. Die Themen, die die Menschen aktuell besonders auch in ihren Kommunen berühren, sollen mithilfe des Bürgerfonds in den Blick gerückt werden. Häufig sind es nämlich dieselben Themen und Fragen, die den Menschen in Deutschland und Frankreich wichtig sind. Und oft erleichtern gerade thematische Zugänge eine Mobilisierung der Bürgerinnen und Bürger.

Der Erfolg des Bürgerfonds zeigt: Wir müssen die Chancen grenzüberschreitenden Engagements noch stärker nutzen. So wird das BMFSFJ auch das Nachfolgeprogramm von »Europa für Bürgerinnen und Bürger« weiter unterstützen, mit dem die Europäische Union die Entwicklung einer aktiven europäischen Bürgerschaft fördert. Man darf gespannt sein, wie sich das neue Programm auf die einzelnen Bereiche auswirkt und welche Synergien entstehen werden.

Auch die deutsche EU-Ratspräsidentschaft hat wichtige Impulse für ein europäisches Miteinander gesetzt. Unter dem Motto »Gemeinsam. Europa wieder stark machen« haben wir uns erfolgreich für ein gerechtes Europa eingesetzt, für gesellschaftlichen Zusammenhalt, soziale Sicherheit sowie Solidarität und dazu beigetragen, eine Europäische Union zu stärken, die auf das Engagement ihrer Bürgerinnen und Bürger für die Demokratie baut und allen Menschen Teilhabe ermöglicht. Und nicht zuletzt wurde die deutsche EU-Ratspräsidentschaft dafür genutzt, den Zusammenhalt der Europäerinnen und Europäer auch grenzüberschreitend zu fördern. Denn Zusammenhalt entsteht dort, wo sich Menschen in Europa miteinander verbunden fühlen. Mit dieser Verbundenheit und dem Vertrauen darauf, dass eine gute Zukunft gemeinsam gestaltet werden kann, füllen die Menschen die europäische Idee mit Leben.

Unsere bisherige Arbeit ist von der Erfahrung geprägt, dass die vielen engagierten Bürgerinnen und Bürger diesseits und jenseits des Rheins einen wesentlichen Beitrag zur deutsch-französischen Freundschaft und zum Austausch zwischen unseren beiden Ländern leisten. Damit wird die europäische Idee über Grenzen hinweg verwirklicht. Unser Ziel ist klar: Wir wollen grenzüberschreitendes Engagement für alle möglich machen, die sich einbringen möchten! Denn wir wissen: Europa wird nicht allein auf großen politischen Gipfeln geschmiedet, sondern von Menschen getragen, die die europäischen Werte im Alltag leben.


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Michael Tetzlaff ist Leiter der Abteilung »Demokratie und Engagement« im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.

Weitere Informationen: www.bmfsfj.de


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