Beitrag im Newsletter Nr. 7 vom 1.4.2021

Auswirkungen der Corona-Pandemie auf das Leben älterer Menschen – Erwartungen an die künftige Bundesregierung

Karl Michael Griffig

Inhalt

Nicht nur abwarten
Krisenvorsorgeplanung auf allen Ebenen
Bundesweit eine aktivierende Seniorenpolitik ins Leben rufen
Kommunale Koordinationsstellen für Bürgerschaftliches Engagement schaffen
Zugang zu digitaler Teilhabe ermöglichen
Ältere Menschen sind krisenfester
Endnoten
Autor
Redaktion

Nicht nur abwarten

Die Ausbreitung des Coronavirus in Deutschland hat den Alltag der Menschen in kurzer Zeit radikal verändert und die Gesellschaft vor gewaltige Aufgaben gestellt. Ältere Menschen zählen, ebenso wie Menschen mit Vorerkrankungen, zu den Risikogruppen. Pflegebedürftige müssen in besonderer Weise geschützt werden. Die BAGSO – Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen hat sich seit Ausbruch der Krise vielfach zu den Auswirkungen auf ältere Menschen in unserem Lande geäußert, hat Probleme aufgezeigt und Forderungen formuliert.

Die Pandemie ist noch nicht zu Ende. Es ist jedoch nicht sinnvoll nur abzuwarten. Vielmehr gilt es jetzt, Veränderungen anzumahnen. Die BAGSO hat im September 2020 in dem Positionspapier »Jetzt erst recht! Lebensbedingungen älterer Menschen verbessern« dazu aufgerufen, Lehren aus der Corona-Pandemie zu ziehen: »Die Corona-Pandemie hat ein Schlaglicht auf die Lebenssituation älterer Menschen geworfen und bestehende Missstände für alle sichtbar gemacht. Sie hat Entwicklungen beschleunigt und offengelegt, in welchen Bereichen seniorenpolitische Reformen dringend notwendig sind, um die Lebensbedingungen älterer Menschen nachhaltig zu verbessern und für künftige Krisen besser gerüstet zu sein.« [1] Die folgenden Darlegungen basieren auf der von den BAGSO-Verbänden gemeinsam erarbeiteten Position.

Krisenvorsorgeplanung auf allen Ebenen

Bereits zu Beginn der Pandemie hat sich gezeigt, dass Deutschland sich künftig besser auf Krisen- und Notsituationen vorbereiten muss. In den Schubladen der Ministerien und Behörden hat es Pandemiepläne gegeben. Entscheidend ist jedoch, dass Vorsorgemaßnahmen auch wirklich ergriffen werden, wie zum Beispiel die frühzeitige Schaffung medizinischer Versorgungskapazitäten, die Sicherstellung von Schutzausrüstung und anderen Materialien sowie die vorausschauenden Planungen für eine zusätzliche personelle Unterstützung in sensiblen Bereichen. Die BAGSO fordert, dass neben den Krankenhäusern stets auch Pflegeheime, ambulante Pflegedienste und pflegende Angehörige mit dem nötigen Schutzmaterial versorgt werden müssen. Krisenvorsorgeplanung muss es auf allen Ebenen geben. Auf der kommunalen Ebene wäre nach Ansicht der BAGSO eine Koordinierungsstelle sinnvoll, die Gesundheitsamt, Hilfsdienste, Katastrophenschutz und zivilgesellschaftliche Akteure vernetzt. Auch Verantwortliche aus den Bereichen Gesundheit und Pflege sind in die Koordinierung mit einzubeziehen.

Bundesweit eine aktivierende Seniorenpolitik ins Leben rufen

Unter den Bedingungen der Corona-Pandemie, vor allem der eingeschränkten Kontaktmöglichkeiten und Begegnungsangebote, ist deutlich geworden, dass in vielen Kommunen Altenhilfe und Seniorenpolitik ein Schattendasein führen. Viele Verbände und Initiativen haben hier kurzfristig Hilfen auf die Beine gestellt und Besuchs- oder Einkaufsdienste organisiert. Solche Angebote zum Erhalt sozialer Kontakte begünstigen das solidarische Miteinander der Generationen. Zur Vermeidung von Einsamkeit und Isolation ist der aufsuchenden Arbeit stärkeres Gewicht beizumessen. Die BAGSO tritt dafür ein, dass eine aktivierende kommunale Seniorenpolitik, die auf den Erhalt von Selbstständigkeit und Teilhabe abzielt, bundesweit verbindliche geregelt wird. »Die bereits im Siebten Altenbericht der Bundesregierung geforderte rechtliche Absicherung der Seniorenarbeit (›Altenhilfe‹) als kommunale Pflichtaufgabe muss umgesetzt und die Kommunen müssen mit den dazu notwendigen Mitteln ausgestattet werden«, heißt es im Positionspapier »Jetzt erst recht!«. Aus Sicht der BAGSO ist dies zwingend erforderlich, um gleichwertige Lebensverhältnisse in Deutschland herzustellen.

Kommunale Koordinationsstellen für Bürgerschaftliches Engagement schaffen

Freiwilliges Engagement war und ist eine tragende Säule der Zivilgesellschaft. Die aktuellen Zahlen des 5. Freiwilligensurveys belegen, dass etwa 40 Prozent der Menschen sich engagieren. Bei den Menschen über 65 Jahre ist die Engagementquote in den letzten 20 Jahren von 18 auf 31 Prozent gestiegen. In den letzten Monaten hat sich, trotz der Einschränkungen, dieses Engagement an vielen Stellen als hilfreich erwiesen, besonders dort, wo es eine dauerhafte Förderung erfährt. Die Förderung von Engagement, Nachbarschaftshilfe und Selbsthilfe spielt nach Ansicht der BAGSO eine zentrale Rolle im Rahmen einer aktivierenden, die Potenziale älterer Menschen fördernden kommunalen Seniorenpolitik. Sie fordert deshalb, dass es in jeder Kommune eine nachhaltig finanzierte, hauptamtlich besetzte Anlaufstelle für die Koordination und Unterstützung bürgerschaftlichen Engagements geben soll. Ziel ist es, die soziale Teilhabe in jedem Alter sicherzustellen und auch in Krisenzeiten das Engagement zu koordinieren. Als Partner bieten sich z. B. örtliche Seniorenbüros, Freiwilligenagenturen, Mehrgenerationenhäuser, Seniorenvertretungen und -beiräte an.

Zugang zu digitaler Teilhabe ermöglichen

In der Corona-Krise war der Zugang zum Internet oft der einzige Weg, um Kontakte mit der Familie, mit Freunden oder zur Arbeitswelt aufrechtzuerhalten. Die technischen Voraussetzungen sowie die nötige Medienkompetenz sind aber gerade bei älteren Menschen nicht immer gegeben. Neun Millionen »Offliner« sind von den Möglichkeiten der Digitalisierung ausgeschlossen. Hier gilt es in Zukunft die Rahmenbedingungen zu verbessern, Kompetenzerwerb zu fördern und damit Teilhabe zu ermöglichen. Dies sollte Teil einer umfassenden Strategie in einem »Digitalpakt Alter« sein.

Ältere Menschen sind krisenfester

In vielen Mitgliedsverbänden der BAGSO ist die Sorge über eine Rückkehr überwunden geglaubter Altersstereotype groß. Zu Beginn der Corona-Krise wurde Alter einseitig mit Schutz- und Hilfebedürftigkeit, mit Verletzlichkeit und Gebrechlichkeit verbunden. Dies wurde von vielen Älteren zu Recht als diskriminierend und bevormundend empfunden. Untersuchungen haben inzwischen gezeigt, dass die Älteren solche Krisensituationen aufgrund ihrer Lebenserfahrung häufig besser bewältigen als junge Menschen, die noch nicht eine solch existentielle Bedrohung erlebt haben. Zudem wurde in einigen Medien ein Generationenkonflikt geschürt, weil die Jüngeren Beschränkungen in Kauf nehmen müssten, die nur zum Schutz der Älteren verfügt worden seien. Für den Erhalt einer lebendigen Bürgergesellschaft ist jedoch notwendig, nicht nur über ältere Menschen zu reden, sondern sie selbst zu Wort kommen zu lassen. Im Dialog der Generationen und im gemeinsamen Engagement kann es gelingen, stereotype Bilder vom Alter aufzubrechen und die vielfältigen Lebenslagen zu respektieren. Die Corona-Pandemie hat die Herausforderungen in Sachen Klimaschutz und nachhaltige Entwicklung in den Hintergrund gedrängt. Dabei ist die Verbreitung des Virus möglicherweise auch das Ergebnis eines Handelns, das nicht auf Nachhaltigkeit setzt. Die Politik ist daher dringend dazu aufgefordert, das ökologische, soziale und ökonomische Gefüge zu reflektieren und im breiten Diskurs neu auszuhandeln. »Die radikalen Veränderungen, die die Pandemie hervorgebracht hat, bergen auch Chancen einer Besinnung und Neuorientierung. Sie dürfen nicht durch die Rückkehr zu alten, überholten Routinen verspielt werden, die langfristig zu weiteren Krisen führen können. Die Corona-Pandemie hat uns gezeigt, dass man auf manche Dinge verzichten kann.« [2]


Beitrag im Newsletter Nr. 7 vom 1.4.2021
Für den Inhalt sind die Autor*innen des jeweiligen Beitrags verantwortlich.

Zurück zum Newsletter


Endnoten

[1] »Jetzt erst recht! Lebensbedingungen älterer Menschen verbessern«, Positionspapier der BAGSO, S. 3

[2] a.a.O., Seite 13


Autor

Karl Michael Griffig ist stellvertretender Vorsitzender der BAGSO – Bundesarbeits-gemeinschaft der Seniorenorganisationen. Er leitet die Fachkommission »Engagement und Partizipation«.

Kontakt: michael.griffig@t-online.de

www.bagso.de


Redaktion

BBE-Newsletter für Engagement und Partizipation in Deutschland

Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement (BBE)
Michaelkirchstr. 17/18
10179 Berlin

Tel.: +49 30 62980-115

newsletter@b-b-e.de
www.b-b-e.de

Zum Seitenanfang