Beitrag im Newsletter Nr. 6 vom 24.3.2022

Warum sich Verschwörungstheorien gegen Inklusion richten

Philipp Hill

Inhalt

Menschen mit Behinderungen in der Welt der Verschwörungstheorien
Einsatz für vielfältige Gesellschaft geht weiter
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Menschen mit Behinderungen in der Welt der Verschwörungstheorien

Menschen, die an eine große Verschwörung glauben, denken anscheinend, dass hinter Inklusion, Feminismus und Gleichstellung ein böser Geheimplan steckt. Wer sich für Menschenrechte, die UN-Behindertenrechtkonvention oder für mehr Gleichberechtigung einsetzt, ist ein Feind. Eigentlich ein ziemlich wirrer Gedanke. Nur wenige Menschen glauben so etwas ernsthaft, oder? Das stimmt zwar, doch sollten wir unsere Demokratie und Erfolge wie Inklusion, Gleichstellung und Gesetze gegen Hass und Diskriminierung nicht als zu selbstverständlich ansehen.

Die Welt der Verschwörungstheorien sieht so aus: Es gibt eine feststehende hierarchische Ordnung, in der nur gesunde, große, schlanke, heterosexuelle, kräftige, fruchtbare und folgsame Menschen leben sollten. Diese Menschen sind angeblich die Mehrheit, sie nennen sich gerne selbst »das Volk«. Sie sehen schön aus und sind sich einig: Sie glauben zu wissen, was wir alle wirklich wollen. Wer nicht so aussieht, lebt, liebt oder glaubt wie sie, gehört nicht dazu. Auch Menschen mit Behinderung werden ausgegrenzt. Angeblich sind Behinderte nicht so leistungsstark und eine Belastung für »das Volk«. Menschen mit Behinderungen bremsen die angeblich Leistungsstärkeren aus.

Dass behinderte Menschen ganz selbstverständlich am Leben teilhaben, stört Menschen, die an Verschwörungstheorien glauben. Sie sehen deshalb in Inklusion eine Bedrohung. Sie denken, dass sie den Frieden und das Gute bewahren. Doch sie bewahren nichts Gutes, sondern diskriminieren Menschen, beschimpfen sie, schieben sie ab, schließen sie aus. Und sie haben auch kein Problem damit, ihre absurde Ordnung mit Gewalt durchzusetzen. Sie finden Gewalt, Diskriminierung und Ausgrenzung normal und richtig.

Wie kann es sein, dass Menschen Vielfalt als Bedrohung sehen? Niemand kann wirklich wollen, dass die Erfolge der Demokratie in Frage gestellt werden. Ist es so schwer auszuhalten, dass es nicht nur eine Lösung, eine Meinung, eine Gruppe gibt? Wen stört es, dass Menschen mit Behinderung oder chronischer Erkrankung selbst entscheiden, wo sie wohnen, wie sie leben oder welchen Beruf sie wählen?

Offensichtlich sind Menschen, die an Verschwörungstheorien glauben, unzufrieden. Vielleicht haben sie Angst vor Veränderungen, fühlen sich nicht gesehen oder gehört. Ganz offensichtlich ist, dass sie die Realität nicht aushalten können und sich in eine ausgedachte Welt flüchten. Vielleicht glauben sie, dass sie sich besser fühlen, wenn es nur noch einen Typ Mensch und eine Ordnung gibt. Dabei gehören viele selbst nicht zu diesem Typ Mensch. Sogar unter den Verschwörungstheoretiker*innen sind sie sich nicht einig. Es gibt unterschiedliche Gruppen, die rechts, links, identitär, konservativ, christlich oder muslimisch geprägt sind. Einig sind sie sich nur darin, dass es einen geheimen Plan gibt: inklusive Bildung, Behindertenrechte, die UN-Behindertenrechtskonvention – das alles sind Ideen einer kleinen Gruppe, die die Welt beherrscht. Schulen, Ministerien, Politiker*innen, Medien, Wissenschaftler*innen – sie alle werden von dieser geheimen kleinen Gruppe gelenkt. Wie absurd dieser Gedanke ist! Haben sie denn keine Demonstrationen für Menschenrechte, Behindertenrechte, Gleichstellung, Freiheit, Frieden gesehen? Haben sie die jahrelangen teilweise zähen Diskussionen und unterschiedlichen Meinungen zum Beispiel zur inklusiven Bildung nicht gesehen, gehört, gelesen?

Einsatz für vielfältige Gesellschaft geht weiter

Demokratische Veränderungen können anstrengend und kompliziert sein, zugegeben. Oft dauern sie auch noch sehr lange: Wir diskutieren erst einmal, erlassen Gesetze, gehen wählen, diskutieren noch mal, demonstrieren, müssen neue wissenschaftliche Erkenntnisse verstehen, merken was funktioniert und was nicht, am Ende müssen wir wieder diskutieren und Gesetze umschreiben. Eine einfache Antwort wäre angenehmer, klar, das bieten Verschwörungstheorien. Aber aufgeben nur weil es anstrengend ist, kann keine Lösung sein.

Verschwörungstheorien richten sich gegen Gleichstellung, Demokratie und Inklusion. Sie respektieren Menschen mit Behinderung und deren Rechte nicht. Das widerspricht der Idee von Inklusion!

Inklusion bedeutet für mich, dass alle Menschen unterschiedlich sind und, dass sie gleich viel wert sind. Ich meine, das sollte selbstverständlich sein. Doch es zeigt sich, dass wir das vielleicht manchmal für zu selbstverständlich halten. Deswegen sollten wir uns für unsere Werte und Rechte einsetzen, sie schützen und stärken! Denn sie werden durch Verschwörungstheorien bedroht. Wir müssen uns weiter gegen Ungerechtigkeit, Gleichschaltung, Gewalt, Hass und Diskriminierung einsetzen. Nur so kann unsere Vision einer Gesellschaft aus vielen, vielfältigen Menschen, die sich gleichwertig begegnen in Erfüllung gehen.


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Für den Inhalt sind die Autor*innen des jeweiligen Beitrags verantwortlich.

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Philipp Hill ist politischer Bildner und Soziologie-Student. Er ist Botschafter der Kampagne »Engagement macht stark!« zum Themenschwerpunkt »Engagement und Inklusion«.


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