Beitrag im Newsletter Nr. 5 vom 10.3.2022

Klimakrise und Gender

Anna Geuchen

Inhalt

Frauen sind von den Auswirkungen der Klimakrise überproportional stark betroffen
Frauen spielen eine zentrale Rolle beim wirksamen Klimaschutz
Fehlende politische Teilhabe, mangelnde Repräsentanz
Die Pandemie hat die strukturelle Benachteiligung von Frauen verdeutlicht und verschärft
Gleichberechtigung auch in den Führungsstrukturen darf nicht vom ehrenamtlichen Einsatz von Frauen abhängig sein
Literatur
Endnoten
Autorin
Redaktion

Frauen sind von den Auswirkungen der Klimakrise überproportional stark betroffen

Die Auswirkungen der Klimakrise berühren alle Lebensbereiche in unterschiedlichem Ausmaß wie Armut, Hunger, Gesundheit, Sicherheit, Migration, aber auch Bildung, Beschäftigung und Finanzen. Dabei sind Frauen jedoch von den Auswirkungen der Klimakrise überproportional stärker betroffen als Männer, wodurch die bestehenden sozialen Ungleichheiten aufgrund struktureller gesellschaftlicher Benachteiligung noch verstärkt werden.

Ein Blick auf das diesjährige Programm der 66. Sitzung der Frauenrechtskommission der Vereinten Nationen (UN), die ihren Fokus in diesem Jahr auf dieses Thema legt[1], zeigt sehr deutlich: Die Zusammenhänge des menschengemachten Klimawandels und Gender sind nicht nur gravierend, sondern zudem sehr vielfältig, bedingen sich gegenseitig und müssen daher unter Berücksichtigung sozioökonomischer und ökologischer Aspekte gelöst werden.

Weltweit arbeiten Frauen überwiegend in der Landwirtschaft und sind für die Ernährung der Familie verantwortlich. Dies sind jene Sektoren, die von Hitzewellen, Dürren, Stürmen oder Überschwemmungen besonders stark betroffen sind und Frauen damit stärker existentiell bedrohen. Aufgrund geringerer Bildungschancen in Kombination mit häuslichen Pflichten ist ein Abwandern in Städte zum Ergreifen eines profitableren Jobs kaum möglich. Laut Schätzungen der UN können rund vier Millionen Mädchen weltweit ihre Ausbildung aufgrund klimabedingter Krisen nicht abschließen. In jüngster Zeit steigt zudem die Gefahr sexueller Gewalt gegenüber Frauen, da die Distanzen zu Gewässern und fruchtbaren Äckern klimabedingt immer größer werden.

Frauen und Kinder sterben mit 14-mal höherer Wahrscheinlichkeit bei einer Unwetterkatastrophe als Männer, unter anderem, weil sie seltener schwimmen können, eine höhere Analphabetisierungsrate aufweisen, nur eingeschränkten Zugang zu lebensrettenden Ressourcen besitzen, gebunden an den privaten Raum der Familie später gewarnt werden und sich auf der Flucht häufig um Angehörige kümmern müssen. Gleichzeitig sind 80 Prozent der Menschen, die durch die Klimakrise aus ihren Wohnorten vertrieben werden, Frauen.

Frauen spielen eine zentrale Rolle beim wirksamen Klimaschutz

Dabei liegt der Schlüssel politischer Lösungen und zu wirksamem Klimaschutz gerade bei Frauen aufgrund ihrer Rolle in den Nachhaltigkeitsbereichen Landwirtschaft, Ernährung und Gesundheit. Dennoch wird die zentrale Rolle von Frauen bei Klimaverhandlungen als Triebkräfte für Veränderungen und im Umgang mit natürlichen Ressourcen häufig übersehen. Dies war zuletzt einer der größten Kritikpunkte an der UN-Klimakonferenz (COP 26) in Glasgow 2021: Der Ausschluss von in NGOs organisierten Frauen und indigene Menschen.

Die Erkenntnisse sind nicht neu, sondern seit Jahrzehnten bekannt. Durch die sich rapide beschleunigende Klimakrise und Zunahme an extremen Unwettern und Hungersnöten infolge von Dürren und Zerstörung von Ökosystemen, haben besonders die Frauen des globalen Südens ihre Stimmen erhoben und auf ihre Situation aufmerksam gemacht. Auf der COP 26 in Glasgow haben zahlreiche NGOs und Frauenrechtsorganisationen zudem gefordert, stärker in Entscheidungsprozesse eingebunden zu werden. Denn weibliche Staatsvertreterinnen sind seit der ersten COP 1995 bei den Länderdelegationen bis heute immer noch deutlich unterrepräsentiert. Ganz anders sieht es bei zivilgesellschaftlichen Organisationen aus, ganz besonders bei der weltweiten Klimabewegung. Dort sind es ausschließlich junge Frauen, deren Gesicht und Stimme die Forderungen zur Dekarbonisierung der Industrie, Reduzierung der Tierbestände, Schutz der Moore und Meere mit Gerechtigkeitsforderungen verbinden und präsentieren: Rayanne Cristine Maximo Franca, Oladosu Adenike, Marinel Ubaldo, Vanessa Nakate, Greta Thunberg und Luisa Neubauer sind nur einige der gut vernetzten und einflussreichsten jungen Frauen.

Fehlende politische Teilhabe, mangelnde Repräsentanz

Nicht zuletzt sind sie es, die die Zusammenhänge und Benachteiligungen der Auswirkungen der Klimakrise auf Frauen und marginalisierte Menschen artikulieren und somit immer stärker in den Fokus internationaler wie nationaler Debatten getragen haben. In Deutschland erhalten die Themen durch Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze sowie Außenministerin Annalena Baerbock neue Stärkung. Die Platzierung dieser Themen auf der politischen Agenda ist das entscheidende und richtige Signal, die Klimakrise als besonders schwere Krise für Frauen anzuerkennen und dadurch Gegenmaßnahmen und Unterstützung zu ermöglichen. Denn es stellt sich jetzt die Frage nach konkreter Umsetzung.

Auch in den Umweltorganisationen Deutschlands wird die Frage von politischer Teilhabe und Mitbestimmung immer deutlicher artikuliert. Mit 70% Frauenanteil unter den Beschäftigten ist die Arbeit der Umweltverbände maßgeblich vom haupt- und ehrenamtlichen Engagement von Frauen gepräg[2]. Sämtliche administrativen, konzeptionellen, fachlichen und koordinierenden Erfolge gehen auf die Qualifikationen weiblicher Mitarbeiterinnen zurück. Diese deutlich mehrheitliche Prägung findet sich jedoch nicht in Führungspositionen wieder: nur 30% werden von Frauen besetzt[3].

Die mangelnde Repräsentanz weiblicher Führungskräfte in Umweltverbänden bedeutet einerseits, dass Frauen als Expertinnen weniger wahrgenommen und tendenziell unsichtbar werden, wenn es um Stellungnahmen zu Windenergie, Klimaschutzzielen, Verkehrswende oder Abbau umweltschädlicher Subventionen geht, und andererseits als Entscheiderinnen aus Politikbereichen ausgeschlossen sind, die sie aufgrund ihres Geschlechts vergleichsweise stärker betreffen als Männer[4]. Die Folge ist ein Ungleichgewicht des politischen Gestaltungs- und Wirkungsgrads zwischen den Geschlechtern. Gerade in Umweltverbänden, die sich in ihren vielfältigen Aktivitäten von lokaler bis nationaler Ebene für das gemeinsame Ziel der sozial-ökologischen Transformation einsetzen, ist die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen Voraussetzung und Leitplanke für eine nachhaltige und resiliente Entwicklung unserer Gesellschaft. Die Verpflichtung Deutschlands zur globalen Nachhaltigkeitsstrategie Agenda 2030 sollte konsequenterweise auch verbandsintern integriert werden, um in diesem Kontext besonders SDG 5 »Gleichstellung der Geschlechter« nachzukommen.

Die Pandemie hat die strukturelle Benachteiligung von Frauen verdeutlicht und verschärft

Die Corona-Krise hat noch einmal rasant die Ursachen der strukturellen Benachteiligung der Repräsentanz von Frauen verdeutlicht: Die Expertise weiblicher hauptamtlicher und ehrenamtlicher Mitarbeiterinnen reduziert sich tendenziell durch die Verlagerung der vormals öffentlichen Tätigkeiten ins Home-Office und der dort anfallenden Mehrbelastung durch familiäre Care-Arbeit[5]. Dieser Aspekt ist vor allem im Hinblick auf den Erhalt und die Förderung (junger) Frauen im NGO-Bereich nicht zu unterschätzen und könnte durch das entsprechende Bewusstsein weiblicher Führungskräfte stärker flankiert werden. Gleichzeitig haben Studien gezeigt, dass es im internationalen Vergleich vor allem weiblich geführte Regierungen sind, die eine durchweg erfolgreichere Strategie und politische Führung im Umgang mit der Covid-19-Pandemie angewandt haben[6]. Es ist bemerkenswert, dass bei aller struktureller Benachteiligung vor und während der Corona-Krise gerade die Frauen durch erfolgreiches Führen und politisches Handeln sichtbar werden.

Dieses Momentum sollte nicht verloren gehen, sondern Anlass sein, die Unterstützung und Förderung von Frauen in Führungspositionen der Umweltverbände konzeptionell und institutionell zu verankern, um zu einer nachhaltig wirksamen Gleichberechtigung beizutragen. Dies sollte unbedingt auch die zukünftige Generation von Expertinnen miteinschließen.

Gleichberechtigung auch in den Führungsstrukturen darf nicht vom ehrenamtlichen Einsatz von Frauen abhängig sein

Der Deutsche Naturschutzring sieht sich als Dachverband in der Pflicht und Verantwortung, der Gleichstellung verbandspolitisch Rechnung zu tragen und hat diese als Grundsatz in seiner Satzung verankert. Darüber hinaus trägt er dazu bei, weibliche Expertinnen sichtbar zu machen. Im vergangenen Jahr hat der DNR die Aktion Gender Champions unterstützt[7] und sich verpflichtet, nicht mehr an all-male Panels teilzunehmen und bei der Besetzung eigener Veranstaltungen ebenfalls auf eine gleichberechtigte Teilnahme von Frauen und Männern zu achten. In Zusammenarbeit mit dem BMU führte der DNR zusammen eine Konferenz zur Repräsentation von Klimaexpertinnen durch. Die anschließenden Workshops mit über 100 Teilnehmerinnen zeigten vor allem zwei wichtige Aspekte: In den Umweltverbänden gibt es eine enorme Anzahl exzellenter und erfahrener Expertinnen und zweitens, dass diese erst sichtbar werden, wenn diese sich aktiv selbständig organisieren. Denn in den meisten Fällen sind diese außerordentlichen Veranstaltungen vom freiwilligen Engagement der Frauen abhängig, die dies zusätzlich zu ihrer Arbeitszeit organisieren. Um Gleichberechtigung auch in den Führungsstrukturen zu erreichen, ist es daher wichtig, dies nicht vom ehrenamtlichen Einsatz abhängig zu machen, sondern diese formal zu institutionalisieren mit dem Ziel des Aufbaus fester Strukturen. Dabei geht es nicht darum, männlichen Akteuren ihre langjährige Erfahrung und Expertise abzusprechen oder ihre Teilhabe per se geringzuschätzen. Denn die Bewältigung der Klimakrise schaffen wir nur gemeinsam. Doch so lange Frauen so existentiell benachteiligt und gefährdet sind, ist es notwendig, sie an politischer Entscheidungsfindung teilhaben zu lassen und in besonderem Maße zu unterstützen.


Endnoten

1 Der Titel der diesjährigen UN-Frauenrechtsversammlung heißt »Gleichstellung der Geschlechter und Stärkung aller Frauen und Mädchen im Kontext des Klimawandels sowie Entwicklung politischer Programme zur Umwelt- und Katastrophen-Risikominderung«

2 vgl. ebda. So sind die fünf größten Umweltverbände in den Führungspositionen von Männern besetzt, der Deutsche Naturschutzring (DNR), Dachverband von 100 Umwelt,-Tier- und Naturschutzorganisationen, hatte in seinen 70 Jahren des Wirkens noch keine weibliche Präsidentin.

3 vgl. ebda. So sind die fünf größten Umweltverbände in den Führungspositionen von Männern besetzt, der Deutsche Naturschutzring (DNR), Dachverband von 100 Umwelt,-Tier- und Naturschutzorganisationen, hatte in seinen 70 Jahren des Wirkens noch keine weibliche Präsidentin.

4 siehe zB. eine Studie des UBA »Gendergerechtigkeit als Beitrag zu einer erfolgreichen Klimapolitik: Forschungsreview, Analyse internationaler Vereinbarungen, Portfolioanalyse«, 2018

5 siehe das Diskussionspapier »Für eine geschlechtergerechte Bewältigung der Corona- und der Klima-Krise«,hrsg. Von LIFE, Genanet und GenderCC, Mai 2020, https://www.gendercc.net/fileadmin/inhalte/dokumente/2_Home/20200518_Diskussionspapier_CoronaKlima-Gender.pdf

6 vgl. Garikipati, Supriya and Kambhampati, Uma: »Leading the Fight Against the Pandemic: Does Gender ›Really‹ Matter?«, Juni, 2020, https://ssrn.com/abstract=3617953 sowie Laetitia Thyssen, Anja Skrzypek: »Gender equality and the pandemic«, August 2020, https://www.progressives-zentrum.org/gender-equality-and-the-pandemic/

7 Infos unter: https://genderchampions.com/


Beitrag im Newsletter Nr. 5 vom 10.3.2022
Für den Inhalt sind die Autor*innen des jeweiligen Beitrags verantwortlich.

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Autorin

Die Politikwissenschaftlerin Anna Geuchen ist Referentin des Präsidiums beim DNR und bearbeitet verbandspolitische sowie gesamtgesellschaftliche Themen zur sozial-ökologischen Transformation wie Nachhaltigkeit, Governance und Gender.

Kontakt: anna.geuchen@dnr.de


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