Beitrag im Newsletter Nr. 22 vom 5.11.2020

Befragung der Verbraucherzentrale NRW: Was bürgerschaftliche Nachhaltigkeits-Initiativen in der Krise stark macht

Dr. Martin Klug

Inhalt

Die Umfrage und die daraus entwickelten Handlungsempfehlungen für Kommunen, Insti-tutionen und Verbände
Zwölf lokale Initiativen aus NRW gaben in ausführlichen Interviews Auskunft
Digitale Kommunikation und Entscheidungen durch Kernteams
Kommunen, Institutionen und Verbände als Unterstützer gefragt
Initiativen leisten Beiträge zur gesellschaftlichen Bewältigung der Krise
Zum Projekt
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Redaktion

Die Umfrage und die daraus entwickelten Handlungsempfehlungen für Kommunen, Institutionen und Verbände

Vor welchen Herausforderungen standen Gruppen, die sich für nachhaltigen Konsum einsetzen, in der ersten Phase der Corona-Pandemie und wie haben sie sie bewältigt? Welche spezielle Unterstützung benötigen »Graswurzel-Initiativen«, um aktuelle und zukünftige Krisen zu meistern? Die Verbraucherzentrale NRW hat dazu im Rahmen des Projekts »MehrWertKonsum« eine Untersuchung durchgeführt und formuliert Empfehlungen, wie Kommunen, Institutionen und Verbände das zivilgesellschaftliche Engagement fördern können.

Gemeinsam aktiv werden, offene Räume schaffen, basisdemokratisch entscheiden – das zeichnet bürgerschaftliche Initiativen für nachhaltigen Konsum wie Gemeinschaftsgärten, Reparatur-Cafés oder Solidarische Landwirtschaften aus. Wie gehen diese Gruppen mit den Schutzmaßnahmen gegen das Corona-Virus, etwa Kontaktbeschränkungen, Abstandsgebot, Raumschließungen und Hygienevorschriften, um? Welche besonderen Herausforderungen stellen sich für freiwillig engagierte Gruppen in der Corona-Situation, welche Lösungen entwickeln sie und wo brauchen sie spezielle Unterstützung? Das wollte das Projekt MehrWertKonsum der Verbraucherzentrale NRW erfahren und hat deshalb in der ersten Phase der Corona-Krise eine Befragung bei lokalen Initiativen beauftragt.

Zwölf lokale Initiativen aus NRW gaben in ausführlichen Interviews Auskunft

Das Institut com.X führte zwischen Ende Mai und Ende Juni 2020 ausführliche Interviews mit zwölf Vertreterinnen und Vertreter von Foodsharing-Initiativen, Gemeinschaftsgärten, Reparatur- und Upcycling-Initiativen und Solidarischen Landwirtschaften durch und wertete die Erkenntnisse aus.

Deutlich wurde dabei zunächst, dass die Herausforderungen zu Beginn der deutschlandweit geltenden Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen andere waren als im weiteren Verlauf, in der Phase der Lockerungen und beim Übergang in die »neue Normalität«. Unterschiede zeigen sich auch zwischen Initiativen, die für ihr Engagement auf (geschlossene) Räume angewiesen sind und solchen, die überwiegend im Freien aktiv werden, wie beispielweise Urban Gardening-Gruppen und Landwirtschaftsgemeinschaften. Letztere konnten zum Teil deutlich früher wieder ihre Aktivitäten aufnehmen.

Digitale Kommunikation und Entscheidungen durch Kernteams

Um in Kontakt zu bleiben und ihren Informations- und Kommunikationsbedarf zu befriedigen, reagierten die befragten Initiativen mit mehr oder minder ausgeprägten Digitalisierungs-Bemühungen. Alle vorhandenen digitalen Kanäle wurden in dieser Zeit verstärkt genutzt. Als Ersatz für Team-Besprechungen oder Plenums-Sitzungen kamen beispielsweise Video-Konferenzen zum Einsatz. Als besonders herausfordernd erwies sich dennoch die Notwendigkeit, in der Krisensituation schnell zu Entscheidungen zu kommen – beispielsweise darüber, ob das Engagement überhaupt aufrechterhalten wird und wie. Das Ideal basisdemokratischer Entscheidungen im Plenum aller Mitglieder war nicht immer erreichbar, oft musste das »Kernteam« der besonders intensiv Engagierten entgegen dieses Anspruchs entscheiden.

Kommunen, Institutionen und Verbände als Unterstützer gefragt

Die andauernde Krise führte jedoch auch dazu, dass sich Mitglieder (nicht nur der Kernteams) zeitlich, körperlich und psychisch belastet fühlten. Komplexe Antrags- und Bewilligungsprozesse für finanzielle Unterstützung, undurchsichtige Zuständigkeiten bei lokalen Behörden, mangelnde Informationen über die jeweils geltenden Vorschriften sowie hohe Anforderungen an Hygienekonzepte stellten für die freiwillig Engagierten besondere Schwierigkeiten dar. Hier können Kommunen, Institutionen und Verbände auch im Hinblick auf die Zukunft die Gruppen unterstützen indem sie

• Räume zur Verfügung stellen, insbesondere für »Indoor«-Initiativen wie Reparatur-Cafés und Leihläden

• Beratung anbieten zur Erstellung und Umsetzung von Hygienekonzepten

• Ressourcen bereitstellen zur sachgemäßen Umsetzung von Hygienekonzepten (z. B. Desinfektionsmittel, Einmalhandschuhe, Plexiglasscheiben)

• Behördliche Vorgaben und Informationen nicht nur an das in Vereinen organisierte Engagement weitergeben, sondern auch an die (noch) lose organisierten engagierten Gruppen

• Checklisten und Vorlagen zur konkreten Umsetzung von behördlichen Vorgaben zur Verfügung stellen

• feste Ansprechpartner*innen für Initiativen in ihrer Verwaltung schaffen

• die Vernetzung mit den lokalen Gruppen und Initiativen suchen und fördern

• unbürokratischen, flexiblen und niedrigschwelligen Zugang zu Zuschüssen und Fördergeldern schaffen

Initiativen leisten Beiträge zur gesellschaftlichen Bewältigung der Krise

Insgesamt haben lokale Nachhaltigkeits-Initiativen in der ersten Phase der Corona-Pandemie flexibel und kreativ auf die neuen Herausforderungen reagiert und viele Schwierigkeiten für ihr Engagement selbst gemeistert. Darüber hinaus leisteten sie auch wichtige Beiträge, um die Herausforderungen der Pandemie zu bewältigen, zum Beispiel durch Nähen von Alltagsmasken, die Verteilung geretteter Lebensmittel an Bedürftige während der Schließung der Tafeln oder die Organisation von Nachbarschaftshilfen. Der niedrigschwellige Zugang zu diesen Gruppen eröffnete zudem vielen Menschen, die trotz oder gerade wegen des allgemeinen Krisen-Gefühls erstmals selbst aktiv werden wollten, die Möglichkeit, etwas Sinnvolles und Nachhaltiges tun oder auch Zeichen der Solidarität setzen.

Zusammenfassung der Umfrage

Zum Projekt

Mit dem Projekt »MehrWertKonsum« unterstützt die Verbraucherzentrale NRW das bürgerschaftliche Engagement für nachhaltigen Konsum in Nordrhein-Westfalen. Initiativen wie Reparatur-Cafés, Foodsharing-Gruppen, Lastenradinitiativen oder Gemeinschaftsgärten erhalten Angebote zum Kompetenzaufbau, zur Weiterentwicklung ihrer Aktivitäten und zur Vernetzung auf lokaler und überregionaler Ebene. Workshops und Online-Angebote greifen praktische und rechtliche Fragen rund um das freiwillige Engagement auf. Verbraucher*innen werden für einen klimafreundlichen Konsum sensibilisiert. Das Projekt wird gefördert durch das Land NRW und die EU.

Weitere Informationen zum Projekt


Beitrag im Newsletter Nr. 22 vom 5.11.2020
Für den Inhalt sind die Autor*innen des jeweiligen Beitrags verantwortlich.

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Autor

Dr. Martin Klug ist Leiter des Projekts MehrWertKonsum der Verbraucherzentrale NRW e.V.

Kontakt: martin.klug@verbraucherzentrale.nrw


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