Newsletter Nr. 22 vom 3.11.2022

Schülerengagement in Coronazeiten: Ein Erfahrungsbericht

Anna Sophie Madeleine Dominik

Inhalt

Irgendwas aus China im Jahr 2020
»saLzH«
Ist das gerecht?
Bürgerschaftliches Engagement in Schülervertretung und als Vorstandsmitglied
Das Grundbedürfnis nach sozialen Aktivitäten und sozialer Interaktion
Schlafrhythmus und bleibende Kompetenzen
Autor
Redaktion

Irgendwas aus China im Jahr 2020

»2020« wurde von Zeit zu Zeit schon ein Insider in meinem Jahrgang. Ich war in der 10. Klasse, als es das erste Mal hieß: »Corona«. Ja gut, Corona. »Was ist das überhaupt?«, dachte man sich. Irgendwas aus China, was uns aber mit Sicherheit nicht erreichen wird. Zumindest nicht schnell. Vor allem nicht so schnell, wie es uns dann doch einen Strich durch die Rechnung gemacht hat. Wie sicher die meisten von Euch und Ihnen wissen, bedeutet die 10. Klasse der erste richtige Abschluss, jetzt ausgehend von einem Gymnasium, weil ich auf einem war. Das bedeutet also 5 Prüfungen, die einem bevorstehen: 3 schriftliche in den Hauptfächern Mathe, Deutsch und Englisch, zusätzlich dann noch eine mündliche in Englisch und eine Präsentationsprüfung in einem Fach und zu einem Thema unserer Wahl. Das ist so aber alles nicht zustande gekommen.

»saLzH«

Aber zurück zum Anfang, als es uns erreicht hat. Zunächst hielt sich Panik und die Angst vor einer Ansteckung stark in Grenzen, es wurde tatsächlich eher belacht. Das Ernstnehmen der Situation ließ auch noch zu wünschen übrig, als wir dann das erste Mal ins Homeschooling geschickt wurden. Obwohl, Homeschooling heißt es in Deutschland ja gar nicht: »saLzH« ist unser toller Name dafür – »schulisch angeleitetes Lernen zu Hause« und nein, kein Gewürz. Ich finde »schulisch angeleitetes Lernen zu Hause« hört sich viel leichter an, als es ist. Sie müssen sich vorstellen: 10. Klässler, die in der Regel sowieso wenig Motivation für die Schule aufbringen und sich nichts sehnlicher wünschen, als die Schule hinter sich zu lassen oder in die Oberstufe zu kommen – also, ein Traum nach Hause geschickt zu werden. Selbstverständlich, weil darunter »Freizeit« oder »längere Ferien« verstanden wurde. Um ehrlich zu sein, wurden anfangs die Vorstellungen dafür auch erfüllt, denn alle Beteiligten waren sichtlich mit der Situation überfordert. In meiner Klasse bspw. gab es eine Spaltung: die eine Seite, die von Anfang an sehr engagiert war und sich die Mühe gemacht hat Aufgaben zu lösen, sich zu beteiligen und alles dafür zu tun weiterhin gute Noten zu haben sofern möglich, vor allem mit dem Hintergedanken, im selben Jahr noch einen Abschluss mit 5 Prüfungen hinzulegen. Die andere Seite dachte sich: »Ach, kontrollieren tun wir die Aufgaben sowieso nicht wirklich und im nächsten Jahr gibt es ganz anderen und neuen Lernstoff, deshalb ist das unnötig«. Diese Haltung wurde dann noch bestärkt, als es keinen Grund mehr gab sich auf diese 5 Prüfungen vorzubereiten, da entschieden wurde, dass die 10. Klässler in diesem Schuljahr (und nebenbei auch in dem Jahr darauf) nur ihre Präsentationsprüfung und mündliche englische Prüfung zu absolvieren haben und somit ihren MSA – den mittleren Schulabschluss – erhalten. Auch hier spalteten sich die Gemüter: Ist das gerecht?

Ist das gerecht?

Diese Frage stellte ich mir in den vergangenen zwei Jahren unwahrscheinlich oft. Ist das gerecht? Fragen Sie sich das gerne auch einmal. Aber mit den Hintergedanken, die ich jetzt nennen werde:
- Die Abschlussprüfungen sollen, speziell an einem Gymnasium, auf die Abschlussprüfungen des Abiturs vorbereiten.
- Wir hatten über ein gesamtes Schulhalbjahr fast nur von zu Hause Unterricht und mussten uns von heute auf morgen selbstständig Dinge und Lernstoff aneignen oder uns so ziemlich allein auf die zwei verbleibenden Prüfungen vorbereiten. Mit dem Einwand, dass nicht jedes Schulkind ein so gegebenes Umfeld für so etwas hat.
- Alle Abschlussjahrgänge haben mit Sicherheit Schwierigkeiten während des Schuljahres. (Also jetzt bezogen auf vorherige Jahrgänge.)
- Ist unser MSA dann überhaupt genauso viel wert wie der von den vorherigen Jahrgängen?

Bürgerschaftliches Engagement in Schülervertretung und als Vorstandsmitglied

Und das könnte man immer weiterführen. Aber ich möchte mich nicht an der Anfangszeit festbeißen, denn ich durfte auch die Erfahrung von Corona während meines Abiturs und vor allem in der Schülervertretung oder als Vorstandsmitglied machen. In der 11. Klasse angekommen und das mit einigem Hin und Her wurde ich überraschender Weise zur Kurssprecherin gewählt. Wer das Schülervertretungsschema kennt, weiß, dass es jetzt heißt: an der Gesamtschülervertretung (GSV) teilnehmen. Dort wurde ich dann Mitglied im Bezirksschülerausschuss, also eine Ebene weiter, und zusätzlich dort auch Vorstandsmitglied. Die Arbeit funktionierte anfangs gut. Im 2. Semester wird plötzlich alles auf den Kopf gestellt, denn jetzt sind wir beim zweiten Mal »saLzH« angekommen. Wie führt und organisiert man eine digitale GSV? Und wie kriegt man die Mitglieder dazu daran teilzunehmen? Gleiches Spiel, wenn es darum geht eine BSA-Sitzung zu organisieren. Es kann gar nicht zu einer richtigen gemeinsamen und starken Schülervertretungsarbeit kommen. Es war und ist schlichtweg nicht möglich gewesen bzw. immer noch stark eingeschränkt. Der größte Teil an Arbeit blieb also an Vorstand und/ oder Schulsprecher*innenteams hängen. Was ich noch nicht erwähnt hatte: Im 2. Semester, das ja Anfang 2021 war, trat ich ebenfalls dem Vorstand der SJB bei und durfte dort eine ganz andere Art von digitaler Vorstandsarbeit erleben, die sich aber bei intensiveren Arbeitsthemen oder Arbeitstagen als ziemlich herausfordernd erwies. Also auch nicht allzu optimal. In Betracht auf das digitale Zeitalter, in dem wir leben, behauptete sich das häufige Arbeiten mit digitalen Endgeräten. Denn ich denke, alle, die diese Zeit durchgemacht haben, können von einem wirklich guten Verständnis für Programme etc. sprechen.

Das Grundbedürfnis nach sozialen Aktivitäten und sozialer Interaktion

Trotzdem unterschätzen wir den Mehrwert von Präsenz und analogen Veranstaltungen. Ob Unterricht, Vorlesungen, dienstliche oder private Treffen, Vorstandsarbeit, Engagement und so vieles mehr. Das ist auch das, was mir auf Dauer zu schaffen gemacht hat. Der Mensch hat das Grundbedürfnis nach sozialen Aktivitäten und sozialer Interaktion. Das ist, wie wir alle wissen, in den letzten zwei Jahren ziemlich auf der Strecke geblieben. Ich bin ein enorm sozialer Mensch, der Gesellschaft von anderen in verschiedensten Weisen liebt und schätzt. Ich bin deshalb auch gerne zur Schule gegangen, weil das nun mal Schule ausgemacht hat. Der Schulalltag, ob im Unterricht oder auch bei unterrichtsübergreifenden Aktivitäten, hatte sich um 180 Grad gewendet. Anfangs war ich von der Idee, mehr selbstständig zu arbeiten, ziemlich begeistert, weil es mir auch nicht unbedingt schwerfällt. Aber, und hier ein großes ABER, ohne Gesellschaft und ein regelmäßiges soziales Umfeld zeigt es sich auf Dauer als riesige Herausforderung. Man war einfach sich selbst überlassen und das ist nämlich auch der Punkt, auf den ich poche. Die Situation mit Corona und der Pandemie. das war und ist nicht zu verändern und jeder, der nachdenkt, weiß das. Aber was zu verändern ist: das Gefühl nicht allein zu sein. Als junger Mensch hat man sich allein gefühlt und auch wenig unterstützt von Menschen auf höheren Positionen. Denn es hatte nie den Eindruck, dass dafür schnell eine Lösung gefunden werden soll. Abiturienten, wie ich, waren fast zwei ganze Semester sich selbst überlassen und mussten zu eben das Abitur zu schaffen. Was uns auch in Engagementbereichen, vor allem auf schulischer Ebene, gefehlt hat, waren Lösungsansätze, um z.B. Schüler*innen trotzdem die Wichtigkeit von Engagement und die Beteiligung im BSA oder der Schülervertretung zu verdeutlichen. Einfach Mittel, um trotzdem für ausreichend Begeisterung zu sorgen, um trotzdem eine produktive und zielgerichtete Arbeit zu schaffen, und das vor allem miteinander. Durch die viele Zeit zu Hause waren nämlich Motivation, Disziplin und Ausdauer im Keller.

Schlafrhythmus und bleibende Kompetenzen

Und der ständige Wechsel zwischen Präsenz und digital war auch nicht einfach. Denn was auch zu einem Insider geworden ist: der Schlafrhythmus. Eigentlich schon traurig, wenn Jugendliche sich über einen nicht funktionierenden Schafrhythmus lustig machen. Ich wünsche mir einfach, dass sich aktuelle Schüler*innen nicht so allein gelassen fühlen müssen, wie wir es taten. Ich kann mir vorstellen, was auf jeden Fall bleiben wird, das sind die guten Technikkenntnisse und vielleicht auch der Spaß mit dem Laptop in der Schule arbeiten zu können. Man schafft es auch eher mal sich eigenständig zu beschäftigen und Zeit für sich selbst freizuräumen. Was sich hoffentlich bei uns wiederfindet, sind Motivation und der Antrieb für Dinge und Ziele, die wir erreichen und meistern wollen. Oder auch, dass sich wieder Schwierigkeiten bei sozialer Interaktion legen.

Der Beitrag stellt eine geringfügig bearbeitete Fassung eines Vortrages dar, der am 22. September 2022 in der AG »Engagement junger Menschen« des BBE gehalten wurde.


Beitrag im Newsletter Nr. 22 vom 3.11.2022
Für den Inhalt sind die Autor*innen des jeweiligen Beitrags verantwortlich.

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Autor

Anna Sophie Madeleine Dominik ist Jura-Studentin und engagiert sich mit Begeisterung für Jugendbeteiligung, sowie politische Themen.

Kontakt: annadominik679@gmail.com

Instagram: @aannamour


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