Beitrag im Newsletter Nr. 13 vom 1.7.2021

Ehrenamt zwischen Engagement und Bürokratie

Grigorios Aggelides, MdB

Inhalt

Ehrenamtliches Engagement ist systemrelevant
Wenn Bürokratie vom Ehrenamt abschreckt
Unsere fünf Säulen liberaler Ehrenamtspolitik
Reden Taten folgen lassen
Autor
Redaktion

Ehrenamtliches Engagement ist systemrelevant

Jeder Politiker möchte das Ehrenamt stärken. Wir betonen in Reden, wie wichtig es ist und vor allem, dass es ohne ehrenamtlich engagierte Menschen nicht geht. Und dennoch: Die Entscheidungen, die die amtierenden Regierungen mithilfe ihrer Mehrheiten im Bundestag treffen, sprechen oft eine andere Sprache. Und diese Entscheidungen haben dazu geführt, dass das Ehrenamt immer unattraktiver wird.

Dabei sind Millionen Menschen, die in Deutschland ehrenamtlich engagiert sind, tatsächlich nicht nur wichtig – jeder einzelne ist systemrelevant. Denken Sie dabei einmal an Ihre eigenen Erfahrungen: Wie viele hauptberufliche Feuerwehrmänner und -Frauen kennen Sie, die in Kleinstädten und auf dem Land arbeiten? Wie viele Trainerinnen und Trainer werden dafür bezahlt, Ihre Kinder in den Sportvereinen zu betreuen? Keine, wenn überhaupt sehr wenige Ausnahmen.

Es ist also nicht nur eine Frage des »ohne euch geht es nicht«, es ist eine Frage der Sicherheit, des Zusammenhalts unserer Gesellschaft. Und es ist unsere Aufgabe als Politikerinnen und Politiker, alles dafür tun, um ehrenamtlich engagierte Menschen zu unterstützen. Um nicht noch mehr Gesetze zu verabschieden, die dem Ehrenamt Steine in den Weg legen, fordern wir unter anderem schon länger einen sogenannten Engagement- und Ehrenamtscheck, mit dem künftige Gesetzesvorhaben auf ihre Auswirkungen für das Ehrenamt überprüft werden sollen.

Wenn Bürokratie vom Ehrenamt abschreckt

Das größte Problem für das bürgerschaftliche Engagement und das Ehrenamt ist die schier nie enden wollende Bürokratie. Diese Bürokratie hat ein Level erreicht, das tatsächlich dazu führt, dass Menschen vom Ehrenamt abgeschreckt werden und vor allem von den Gremien, den Vorständen, die diese Bürokratie bis ins kleinste Detail bearbeiten dürfen. Das darf so nicht weitergehen. Einen ersten Schritt in die richtige Richtung haben wir im Bundestag Ende 2020 gemacht. Im Rahmen des Jahressteuergesetzes 2020 hat der Bundestag auch über einige Punkte abgestimmt, die das Ehrenamt mit dem Gemeinnützigkeitsrecht entlasten. Den Änderungen, den sogenannten Umdrucken, haben wir als FDP-Bundestagsfraktion gerne zugestimmt. Sie bringen Entlastung bei der Bürokratie, mehr Spielraum und mehr Möglichkeiten der Zusammenarbeit. Zudem wurden einige längst überfällige Korrekturen vorgenommen. Hier ein paar Beispiele:

Bürokratieentlastungen

Erhöhung der Freigrenze

Gemeinnützige Organisationen dürfen nun mit ihren Geschäftsbetrieben, wie beispielsweise kleinen Gastronomiebetrieben, 45.000 Euro einnehmen, ohne diese Einnahmen versteuern zu müssen. Die Grenze lag vorher bei 35.000 Euro.

Vereinfachter Zuwendungsnachweis

Spendenbescheinigung müssen nun erst ab einem Betrag von 300 Euro ausgestellt werden, anstatt vorher 200 Euro.

Zeitnahe Mittelverwendung

Kleine Körperschaften haben nun keine Frist mehr, zu der sie ihre Einnahmen einsetzen bzw. ausgeben müssen. Sie gewinnen damit an Flexibilität.

Vereinfachte Zusammenarbeit

Konzernstrukturen

Gemeinnützige Körperschaften können sich ihre Aufgaben nun mit anderen Körperschaften teilen und arbeitsteilig vorgehen, um Synergien zu bilden und effizienter zu sein. Zuvor ließen solche Strukturen die Gemeinnützigkeit entfallen, auch wenn der gemeinnützige Zweck auf diese arbeitsteilige Weise vielleicht sogar besser und schneller erreicht worden wäre.

Mittelweitergabe unter gemeinnützigen Organisationen

Vorher war es gemeinnützigen Organisationen nicht möglich, Mittel an andere gemeinnützige Organisationen zu geben, ohne den gemeinnützigen Status zu verlieren. Das wurde nun geändert. So kann beispielsweise der gemeinnützige Tierheimverein A überschüssiges Futter an den gemeinnützigen Tierrettungsverein B weitergeben, ohne seine Gemeinnützigkeit zu verlieren.

Korrekturen

Katalog des § 52 AO wird um Freifunk erweitert

Der Katalog des § 52 AO wird um „Freifunk“ erweitert. Funknetze entsprechen jetzt der Medien- und Informationsvielfalt und sind daher förderungswürdig.

Beschleunigung des Anerkennungsverfahrens zur Gemeinnützigkeit

Will eine Körperschaft sich als gemeinnützig anerkennen lassen, gibt es zwei Schritte: zum einen das Anerkennungsverfahren der Gemeinnützigkeit und zum anderen das Veranlagungsverfahren. Einzelheiten werden in der Regel erst im Veranlagungsverfahren geprüft, das zeitlich nach dem Anerkennungsverfahren einsetzt. Und die doch recht lange Zeitspanne zwischen der ersten und zweiten Prüfung führte bei bestimmten Fällen zu Problemen. Nun ist diese Zeitspanne spürbar verkürzt.

Ein Beispiel: Der Sportverein A will gemeinnützig sein, ist aber rassistisch und verbreitet gezielt menschenverachtende Parolen. Der Verein erhält nun einen Bescheid, nach dem er gemeinnützig ist, weil die Einzelheiten, also die »tatsächliche Geschäftsführung«, erst im zweiten Schritt geprüft werden. Die Gemeinnützigkeit wird diesem Verein dann nach Monaten, nach der zweiten Prüfung, wieder aberkannt. In der Zwischenzeit kann der Verein jedoch seinen ersten Feststellungsbescheid nutzen, damit werben und Spenden sammeln. Und diese Zeit ist jetzt wesentlich kürzer.

Auch wenn wir dem Jahressteuergesetz aufgrund vieler anderer Punkte, die nichts mit dem Gemeinnützigkeitsrecht zu tun hatten, nicht zugestimmt haben, begrüßen wir doch die Erleichterungen. Doch das war der erste Schritt, weitere müssen folgen.

Seit Jahren warten wir auf die immer noch ausstehende große Ehrenamtsreform. Diese muss nun zügig in der kommenden Legislaturperiode kommen. Wir dürfen nun nicht aufhören, das Ehrenamt zu entlasten.

Unsere fünf Säulen liberaler Ehrenamtspolitik

Wir haben uns viele Gedanken über das Ehrenamt gemacht und in einem Positionspapier fünf Säulen liberaler Ehrenamtspolitik zusammengetragen. Dieses Papier macht deutlich, in welchen Bereichen unserer Meinung nach Ehrenamt und bürgerschaftliches Engagement besser unterstützt und von unnötigen Belastungen befreit werden muss. Ich möchte hier auf drei Aspekte näher eingehen:

1. Bürokratieabbau schafft mehr Zeit für die eigentlichen Aufgaben der Ehrenamtlichen.

Wenn der DRK-Vorsitzende eines kleinen Ortsverbandes einen 160-seitigen Ratgeber für Steuern berücksichtigen muss oder die Freiwillige Feuerwehr nicht mal unkompliziert die Steuer für eine während einer gemeinwohlorientierten Veranstaltung verkauften Bratwurst abführen kann, dann wird das Steuerecht zurecht als ein Hindernis empfunden. Viele ehrenamtlich und bürgerschaftlich Engagierte sind mit den komplexen und für juristische Laien schwer zu durchblickenden Anforderungen des Steuerrechts überlastet. Deshalb fordern wir unter anderem die Einführung eines abgestuften Sanktionensystems beziehungsweise die Flexibilisierung des Sanktionenkatalogs. Aber auch jenseits des Steuerrechts wollen wir aktiv werden. Denn die starke Zunahme an Regulierungsanforderungen und deren Komplexität etwa auch im Bereich der DSGVO, der Arbeitszeitdokumentationspflichten und im Gemeinnützigkeitsrecht sind mit einem enormen Zeit- und Kostenaufwand für Ehrenamtliche verbunden. Oft gelten für Vereine und Stiftungen die gleichen Regelungen wie für gewinnorientierte Unternehmen, ohne, dass sie die entsprechenden Instrumente für die Umsetzung der Vorschriften haben. Nachwuchs wird so vielfach abgeschreckt. Hier fordern wir klare, praktikable und lebensnahe gesetzliche Regelungen, wie eine Freistellung für Vereine von den DSGVO-Auflagen, wenn folgende, belegbare Kriterien erfüllt werden: 1. weniger als 300 Mitglieder, 2. weniger als zwei hauptamtliche Kräfte, 3. wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb im steuerlich nicht relevanten Rahmen.

2. Die Chancen und Vorteile der Digitalisierung schaffen bessere Angebote

Das Potenzial digitaler Lösungen zur Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements und Ehrenamts wird durch die Bundesregierung kaum unterstützt. Ein Beispiel hierfür ist das Fehlen einer Anwendungssoftware für die erleichternde Steuerabführung für zivilgesellschaftliche Organisationen. Hier fehlen ganz klar digitale Lösungen. Digitale Lösungen können vielfach Ehrenamt vereinfachen – etwa bei der Mitgliederorganisation oder ähnlichem. Wichtig ist hier, dass überall – auch im ländlichen Raum – die entsprechenden Voraussetzungen zur umfangreichen Nutzung digitaler Angebote vorliegen. In diesem Bereich fordern wir unter anderem die gesetzlichen Rahmenbedingungen zu verbessern, damit bürgerschaftliches Engagement und Ehrenamt vor dem Hintergrund der Digitalisierung problemlos und für alle Menschen ungeachtet ihrer sozioökonomischen Lage und ihres Wohnortes möglich sind.

3. Mehr Informationsangebote und Hilfestellungen minimieren Haftungsrisiken für ehrenamtlich Engagierte

Unter den Beteiligten im bürgerschaftlichen Engagement und Ehrenamt ist eins klar: Die Herausforderung der Haftung stellt eine gewaltige Ehrenamtsbremse dar. Von Jahr zu Jahr nimmt die Komplexität der rechtlichen Regelungen, die eine Relevanz für das Ehrenamt und das bürgerschaftliche Engagement haben, stetig zu, sodass sie für Laien kaum mehr verständlich sind. Daneben mangelt es an Personal und an einfachen Arbeitshilfen zu unterschiedlichen Gesetzen, die für eine verständliche Auslegung für Laien sorgen sollen. Die Engagierten beklagen, es herrsche wegen der Komplexität der Umsetzung aller Regulierungen sowie der damit verbundenen Sanktionen im Falle einer Missachtung große Unsicherheit. Die Nachwuchsgewinnung für Führungspositionen wird im bürgerschaftlichen Engagement und Ehrenamt erschwert, da gerade auf junge Menschen viel Bürokratie und hohe Auflagen abschreckend wirken.

Deshalb fordern wir unter anderem eine anwenderfreundliche Gesetzgebung und klare, leicht verständliche und rechtssichere Handlungsanweisungen wie Mustervorlagen und -vorgänge sowie Arbeitshilfen zu Gesetzen. Auch brauchen die Vereinsvorstände und -Mitglieder eine verständliche Übersicht und Empfehlung, welche Versicherungen es im Bereich Ehrenamt bereits gibt und welche zur Absicherung Sinn machen, sollte tatsächlich einmal etwas passieren.

Reden Taten folgen lassen

Ehrenamt muss in Deutschland endlich wieder effektiv unterstützt werden. Wir setzen uns daher unter anderem für einen ordentlichen Ausschuss mit dem Schwerpunktthema bürgerschaftliches Engagement, Ehrenamt, Partizipation und Zivilgesellschaft ein, um dem zivilen Engagement mehr Geltung und Wertschätzung zu geben.

Und es müssen den Worten im Parlament Taten folgen und von der kommenden Regierung endlich die große Ehrenamtsreform in Angriff genommen werden. Wir werden diese aktiv mitgestalten und Vorschläge machen. Unser Konzept steht, das der Regierung hoffentlich auch bald. Dann kann die Arbeit für ein attraktives Ehrenamt beginnen.

Hier finden Sie unser Positionspapier zum Ehrenamt

Hier finden Sie den Engagement- und Ehrenamts-Check


Beitrag im Newsletter Nr. 13 vom 1.7.2021
Für den Inhalt sind die Autor*innen des jeweiligen Beitrags verantwortlich.

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Grigorios Aggelidis, MdB, FDP, ist Mitglied im Unterausschuss Bürgerschaftliches Engagement.

Kontakt: grigorios.aggelidis.ma04@bundestag.de


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