Beitrag im Newsletter Nr. 12 vom 16.6.2022

Unser Ziel: Die gesamte Stärke unserer Gesellschaft entfesseln

Ariane Fäscher

Inhalt

Was bedeutet die »Zeitenwende« für bürgerschaftliches Engagement?
Verlässlichere Förderung durch ein Demokratiefördergesetz
Unsere Zivilgesellschaft ist stark, kreativ und schnell
Eine neue nationale Engagementstrategie, Modernisierung des Gemeinnützigkeitsrechts und Stärkung des digitalen Ehrenamts
Autorin
Redaktion

Was bedeutet die »Zeitenwende« für bürgerschaftliches Engagement?

»Zeitenwende« ist das Schlagwort, das viele Debatten beherrscht. Wahrscheinlich sind historisch selten so viele Krisen zusammengetroffen. Sie alle haben, ob in der Unterstützung Kranker und Älterer oder in der Betreuung von Geflüchteten, gezeigt: Unsere Zivilgesellschaft ist stark, kreativ und sie ist schnell, aber ehrenamtliche und staatliche Stellen brauchen einander nicht nur, sie könnten sich auch noch besser ergänzen. Dafür hat sich die Ampel-Koalition viel vorgenommen: Eine nationale Engagementstrategie und ein Demokratiefördergesetz sind zwei wesentliche Eckpfeiler im Koalitionsvertrag.

Glücklicherweise ist bereits viel gelungen: Eine Verbesserung des Gemeinnützigkeitsrechts, weniger Bürokratie, die Gründung einer Engagementstiftung und der Ausbau der Mehrgenerationenhäuser waren wichtige Schritte, die das Parlament in der letzten Wahlperiode für das Ehrenamt umsetzen konnte.

Bei den Verhandlungen für den aktuellen Koalitionsvertrag waren sich die Ampel-Parteien bereits früh einig, dass es besonders nach den großen Herausforderungen in den letzten Jahren durch COVID-19 für das Engagement einen weiteren großen Schub benötigt. Daher gibt es auch diesmal viele wichtige Zielmarken, die wir uns als Politik darin für die Freiwilligenarbeit gesetzt haben.

Haben Sie sich durch die Zeitenwende geändert? Ich glaube nicht, Schwerpunkte haben sich gegeneinander verschoben, aber Finanzierungs- und Rechtsrahmen zu definieren, die ein lebendiges Ehrenamt und eine resiliente Zivilgesellschaft in einer sich agil ändernden Welt ermöglichen, sind als Grundanforderungen gleichgeblieben.

Verlässlichere Förderung durch ein Demokratiefördergesetz

Als wichtigste übergeordnete Aufgabe sehe ich selbst eine verlässlichere Förderung, um den vielen Menschen im Ehrenamt eine gesicherte Basis zu geben bei ihrem Dienst für die Gesellschaft. So wollen wir durch ein Demokratiefördergesetz wichtige Projekte im Bereich der Demokratieförderung und Extremismusprävention dauerhafter und bedarfsorientierter fördern und der wichtigen zivilgesellschaftlichen Arbeit mehr Planungssicherheit geben. Dabei wird die Zivilgesellschaft von Anfang an an diesem Prozess beteiligt: Was gilt es zu berücksichtigen, was aber auch zu vermeiden? Welche Themen müssen abgebildet werden? Dies zeigt eine neue politische Handschrift, den Rahmen nicht für, sondern mit den Handelnden zu entwickeln, Partner statt Betroffener im Prozess zu sein. In der Diskussion zeigt sich bereits jetzt eine wichtige Frage: Ist eine starke lokale ehrenamtliche Struktur, die den Menschen Zugehörigkeit, Halt, Wertschätzung und Selbstwirksamkeit als Erfahrung ermöglicht vielleicht womöglich eine zentrale Säule der Extremismusprävention? Und kann dies in einem gemeinsamen Gesetz abgebildet werden? Wir sind am Anfang des Prozesses und mitten in der Diskussion – und das ist gut!

Unsere Zivilgesellschaft ist stark, kreativ und schnell

Die freiwillige Hilfsbereitschaft der Menschen umfasst unzählige Bereiche. Nicht nur bei der Unterstützung von Flüchtlingen, der Verteilung von Spenden oder beim Natur- und Umweltschutz. Auch kann man eine Patenschaft übernehmen, bei der Lebensrettung helfen, als Volontär ins Ausland gehen oder auch Blut spenden. Überall ist ein eigener Beitrag zu einem lebendigen Zusammenhalt in der Gemeinschaft möglich, in der man sich gegenseitig unterstützt und niemanden allein lässt.

Bereits bei der Bewältigung der Herausforderungen durch die Coronamaßnahmen wurde für alle klar, welche Kraft in der Gesellschaft in Krisenzeiten durch Werte wie Mitgefühl, Wertschätzung und Verantwortungsbewusstsein entfesselt werden kann. Und nicht nur von den fast 30 Millionen Menschen, die ohnehin regelmäßig im Ehrenamt tätig sind, sondern von den vielen, die verstanden haben, dass es eine Kraftanstrengung von allen benötigt, damit vulnerable Gruppen so gut wie möglich gesundheitlich geschützt werden können.

Der Ausbruch des Krieges in der Ukraine hat uns allen kaum Luft zum Durchatmen gelassen, bevor erneut wieder das gesamte Rückgrat der Gesellschaft gefragt war. Abermals war es an vielen Orten und innerhalb kürzester Zeit sichtbar, was die Menschen bereit sind zu unternehmen, um den vielen Familien aus dem Kriegsgebiet zu helfen, sie zu unterstützen und ihr Leid zu mindern.

Eine neue nationale Engagementstrategie, Modernisierung des Gemeinnützigkeitsrechts und Stärkung des digitalen Ehrenamts

Wir als Regierungskoalition wollen in dieser Wahlperiode all diese Menschen einerseits umfassend unterstützen und sie auf der anderen Seite von unnötigen Verpflichtungen entlasten. Zudem wollen wir junge Menschen für das Ehrenamt begeistern und es dafür so weit wie möglich von Bürokratie und möglichen Haftungsrisiken entlasten.

In einer neuen nationalen Engagementstrategie werden wir viele Punkte zusammenführen. Bei der strategischen Neuausrichtung wird vor allem eine operativ umsetzbare Strategie unser Ziel sein. Der erst 2020 gegründeten und nun mit etwa 40 Millionen Euro jährlich sowie 75 Mitarbeitern ausgestatteten Deutschen Stiftung für Engagement und Ehrenamt (DSEE) haben wir die Mittel erhöht, damit sie insbesondere auch in strukturschwachen Räumen das Ehrenamt durch Projektmittel, Kampagnen und Beratung noch besser flankieren kann. Mit dem Förderprogramm »Gemeinsam wirken in Zeiten von Corona« konnte die Stiftung bereits in ihrem ersten Jahr über 1.800 Vorhaben mit mehr als 20 Millionen Euro bundesweit unterstützen. Aktuell können ehrenamtlich getragene Organisationen in strukturschwachen und in ländlichen Regionen jeweils mit bis zu 2.500 Euro gefördert werden.

Wir werden das Gemeinnützigkeitsrecht weiter modernisieren und stärken das digitale Ehrenamt durch ein besseres Einbinden in digitalpolitische Vorhaben. Wir werden das Engagement für Rentnerinnen und Rentner sowie erwerbsgeminderten Personen weiter öffnen. Dort wollen wir die Anrechnung von Aufwandsentschädigungen für ehrenamtliche Arbeit in Anlehnung an das Steuerrecht mit einem jährlichen Freibetrag gestalten. Wer helfen und andere unterstützen will, darf nicht aus Angst vor einer Kürzung seiner Leistungen davon abgehalten werden!

Das auch für die vielen Geflüchteten aus der Ukraine wichtige Patenschaftsprogramm »Menschen stärken Menschen« wollen wir weiterführen und aufstocken. Dort konnten seit 2018 bereits viele Geflüchtete in benachteiligenden Lebenssituationen im Alltag eine so dringend benötigte Hilfe finden. Aktuell stellt der Bund 21,4 Mio. Euro bereit. Die Stärke dieses Programms ist, dass ehrenamtliche Paten durch Hauptamtliche fachlich unterstützt, von Bürokratie entlastet und bei Fragen oder Belastungen beraten werden.

Die vielen freiwilligen Helferinnen und Helfer beim Bevölkerungsschutz werden wir durch ein Ehrenamtskonzept und in föderaler Abstimmung durch bundesweit einheitliche Freistellungs- und Versicherungsschutzregeln besser absichern.

Eine Herausforderung wird es sein, die digitale Disruption genauso schnell wie sie Veränderungen bringt auch mit gezielten rechtlichen Anpassungen zu begleiten und sie sogar für Werbung und Anerkennung des Ehrenamtes besser zu nutzen. Denn es gilt in den kommenden Jahren den Auswirkungen des demografischen Wandels frühzeitig entgegenzutreten. Es ist abzusehen, dass wenn nicht jetzt etwas unternommen wird, viele der wichtigen ehrenamtlichen Ämter und Posten nicht mehr neu besetz werden und viele Organisationen aus Personalmangel die unterstützende Arbeit nicht mehr vollständig gewährleisten können oder sogar restlos einstellen müssen. Für eine blühende Zukunft des Ehrenamtes braucht es eine große politische Unterstützung und moderne rechtliche Rahmensetzung. Zusammen mit unseren Koalitionspartnern werden wir daher in den kommenden Jahren unser Möglichstes dazu beitragen, dass das Bürgerschaftliche Engagement den nötigen Schub dafür bekommt.


Beitrag im Newsletter Nr. 12 vom 16.6.2022
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Ariane Fäscher ist Mitglied der SPD-Fraktion im Bundestag und stellvertretende Vorsitzende des Unterausschusses Bürgerschaftliches Engagement.

Kontakt: ariane.faescher@bundestag.de


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