Beitrag in den Europa-Nachrichten Nr. 7 vom 27.7.2023

Solidarische Wirtschaft und Zivilgesellschaft

Maxi Leuchters

Inhalt

Einleitung
Nachhaltige Unternehmensführung
Mitbestimmung als wesentliche Voraussetzung für nachhaltige Unternehmensführung
Stärkung der Mitbestimmung
Autorin
Redaktion

Einleitung

Wir als Gesellschaft, unsere Wirtschaft, unsere Unternehmen stehen vor großen Herausforderungen. Gemeinsam wollen wir die Klimakrise solidarisch gerecht eindämmen. Wir erleben geopolitische Umbrüche, die nur wenige vor 18 Monaten für möglich gehalten haben. Gleichzeitig bewältigen wir noch die Folgen der Corona-Pandemie, die sowohl in der Wirtschaft als auch beim Zusammenhalt unserer Gesellschaft Spuren hinterlassen hat. Eine große Kraftanstrengung aller ist gefordert: Unternehmen, Arbeitnehmer:innen, alle Bürger:innen müssen die Transformation gemeinsam meistern.


Nachhaltige Unternehmensführung

Die Frage, wie Unternehmen geführt werden und wer strategische Entscheidungen in Unternehmen trifft, ist für das Gelingen der Transformation von besonderer Bedeutung und rückt deshalb zurecht immer stärker in den Fokus. Nicht umsonst ist «Gute Unternehmensführung» ein wesentlicher Teil der sog. ESG-Kriterien, die u.a. bei nachhaltigen Finanzprodukten angewendet werden. Neben umweltbezogenen Kriterien (Environment) sowie Sozialstandards (Social) werden Kriterien für eine gute Unternehmensführung (Governance) herangezogen, um zu bewerten, ob ein Unternehmen nachhaltig ist. Aber was genau versteht man unter einer guten und nachhaltigen Unternehmensführung? Es gibt weder eine verbindliche Definition noch eine bestimmte Anzahl von Kriterien, die allgemeingültig als Ausdruck guter Unternehmensführung gelten. Häufig genannte Elemente sind Maßnahmen gegen Korruption, eine angemessene Umsetzung von Compliancevorschriften, Steuertreue und die Zusammensetzung sowie Diversität in Vorständen und Aufsichtsräten in Unternehmen.


Mitbestimmung als wesentliche Voraussetzung für nachhaltige Unternehmensführung

In Deutschland und in einigen weiteren europäischen Mitgliedstaaten (in unterschiedlicher Ausprägung) werden Arbeitnehmervertreter:innen in die Aufsichtsräte großer Kapitalgesellschaften gewählt. In Unternehmen mit mehr als 2.000 Beschäftigten ist der Aufsichtsrat zur Hälfte von Arbeitnehmer:innen besetzt. Der Aufsichtsrat kontrolliert und berät den Vorstand zu der strategischen Ausrichtung des Unternehmens. Arbeitnehmer:innen bestimmen in der Regel mit, wenn es um wesentliche Entscheidungen für das Unternehmen geht. Sie haben ein ureigenes Interesse an einer nachhaltigen Ausrichtung des Unternehmens, denn nur so sind Arbeitsplätze für die Zukunft gesichert. Daher überrascht es nicht, dass mitbestimmte Unternehmen früh begonnen haben, sich mit Nachhaltigkeitsstrategien zu beschäftigen, diese zu implementieren und stärker in Forschung und Entwicklung investieren – eine wesentliche Voraussetzung für eine gelungene Transformation. Die Unternehmensmitbestimmung trägt zur nachhaltigen Unternehmensführung bei und ist darüber hinaus ein Merkmal einer solidarischen und vor allem demokratischen Wirtschaft. Die anstehenden Veränderungen, die Bewältigung der Klimakrise und die dadurch aufgeworfenen Fragen, die auch die Verteilungsgerechtigkeit betreffen, müssen korporatistisch gelöst werden. Das gilt für die Gesellschaft als Ganzes und ebenso für Unternehmen. Eine solidarische und nachhaltige Wirtschaft kann also nur eine mitbestimmte Wirtschaft sein.


Stärkung der Mitbestimmung

Gleichzeitig erleben wir, dass das System der Mitbestimmung unter Druck steht, da zahlreiche Unternehmen immer noch Rechtslücken ausnutzen und so viele Beschäftigte um ihre Mitbestimmungsrechte bringen: Die Zahl mitbestimmter großer Unternehmen sinkt. Die Vorteile einer demokratischen, mitbestimmten Wirtschaft können sich aber nur dann entfalten, wenn Mitbestimmung in der Praxis angewandt und gelebt wird. Mitsprache- und Partizipationsrechte von Beschäftigten in Unternehmen müssen gestärkt und der rechtliche Rahmen für die Mitbestimmung muss ausgebaut werden. In Zeiten der multiplen Krisen, zunehmender Unsicherheit ist es elementar, dass Menschen ihr direktes Umfeld, ihren Arbeitspatz selbst mitgestalten können und ihre Stimme im Sinne einer nachhaltigen Unternehmensführung gehört wird.


Beitrag im Newsletter Nr. 7 vom 27.7.2023
Für den Inhalt sind die Autor*innen des jeweiligen Beitrags verantwortlich.

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Autorin

Maxi Leuchters ist seit 2019 Referatsleiterin für Unternehmensrecht und Corporate Governance im Institut für Mitbestimmung und Unternehmensführung (I.M.U.) der Hans-Böckler-Stiftung. Ein Schwerpunkt ihrer Arbeit liegt in der Unternehmensmitbestimmung in Banken und Versicherungen. Sie ist Aufsichtsratsmitglied in einem genossenschaftlichen Kreditinstitut, im Aufsichtsrat der Commerzbank AG und zudem Mitglied im Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss.

Kontakt: Maxi-Leuchters@boeckler.de

Weitere Informationen: https://www.boeckler.de/de/personensuche-42927-maxi-katharina-leuchters--2928.htm


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