Beitrag im Newsletter Nr. 2 vom 27.2.2020

Klima-Synergie für die Vielen erleichtern – integrierende Klima-Informationsplattform aufbauen

Hans Sendler

Inhalt

Zusammenfassung
Ausgangslage
Hintergründe
Speziell zur Interessenlage der Zivilgesellschaft
Schlussfolgerung für Deutschland: Entwicklung einer Klima-Informationsplattform
Autor
Redaktion

Zusammenfassung

Den unerwünschten forcierten Klimawandel mit seinen Gefahren für die Lebensräume der Menschheit ernst zu nehmen und ihm mit allen sinnvoll geeigneten Mitteln entgegenzuwirken ist nach den inzwischen nicht mehr zu leugnenden Erkenntnissen zu den bereits eingetretenen und darüber hinaus akut drohenden Veränderungen, aber auch erfolgversprechenden Wegen zu Abhilfe, ab sofort eine Kardinalaufgabe der nächsten Jahrzehnte. Die systematische Steuerung der entsprechenden Anstrengungen zur intensiven, koordinierten, wirksamen und baldigen Aktivierung aller Anstrengungen geht jeden an.

Gefordert sind kreativer Erfindergeist und nachhaltige, von notwendigen staatlichen Rahmenentscheidungen begleitete Veränderungen der Handlungs- und Lebenskultur. Alle denkbaren Akteure sind einzubeziehen und zur Mitwirkung in die Lage zu versetzen. Die multilateralen Vernetzungen der klimatischen Mechanismen und die oft erklärungsbedürftige Informationslage zu drohenden Entwicklungen und möglichen Abhilfen erfordern zum Verständnis umfassende Transparenz über sinnvolle Handlungsansätze der vielfältigen denkbaren Akteure. Zu diesen gehören auch die Beteiligten der Zivilgesellschaft in ihren unterschiedlichen Rollen als freiwillig Engagierte, Kunden an klimarelevanten Märkten, Organisationsverantwortliche usw., also auch Laien klimarelevanten Fachwissens. Das betrifft u.a. die an den Diskursen im BBE Beteiligten. Diese Herausforderung hat im Übrigen starke Bezüge zum trisektoralen Handlungsrahmen der Zivilgesellschaft, zu den Zielen der Digitalisierung und anderen wichtigen Bewegungen, für die sich das BBE einsetzt.

Dazu sollte eine allgemein zugängliche Klima-Informationsplattform zur Integration des entsprechenden Wissens und geeigneter Handlungsansätze geschaffen werden. Über die bisherigen Initiativen und Informationssammlungen hinaus sollten sich die wesentlichen Träger wissenschaftlicher Expertise, potenzielle Organisatoren möglicher Informationsangebote und die Spitzenorganisationen der öffentlichen Verwaltungen in Bund und Ländern, der Unternehmen und der Zivilgesellschaft und auch die finanziellen Förderer zusammenfinden und diese Entwicklung vorantreiben. Die Zeit ist reif, dazu konkrete Planungen einzuleiten, zu den damit im Detail verfolgten Zielsetzungen, zum Kreis der zu Beteiligenden auf den verschiedenen Ebenen, den einzubeziehenden Inhalten, der Organisation, den Verfahrensfragen und der Finanzierung. Die bisherigen bereits vollzogenen Schritte unter all diesen Aspekten sind zu integrieren. Begrenzende Tabuisierungen sind zu vermeiden.

Ausgangslage

Auf den Ebenen der Staatenzusammenschlüsse der ganzen Welt bis hin zu den Vereinten Nationen, auch der Europäischen Union, und der Staaten, Regionen und Kommunen ist der Bedarf an nachhaltigen Maßnahmen zur Bekämpfung des unerwünschten Klimawandels weitgehend erkannt. Dazu ist bereits viel Kluges und Richtiges, freilich auch manches andere geschrieben, gesagt oder sonst verlautet worden.

Die Möglichkeiten zu überzeugenden Strategien sind jedoch bei weitem nicht ausgeschöpft. Politik und Verwaltungen, die Akteure der Wirtschaft und der Zivilgesellschaft werden den zur Sicherung einer lebenswerten Welt notwendigen und möglichen Erfolg nur gemeinsam erzielen und auch die politischen, wirtschaftlichen, sozialen, technischen und intellektuellen Hürden überwinden können. Bewegungen »von oben« und »von unten« sind erforderlich.

Nicht alle haben dabei als einzelne die gleichen Wirkungskräfte. Doch in der gezielten Synergie liegen bisher nur ansatzweise, ofteher zufällig, jedenfalls nicht systematisch realisierte Optionen und Chancen.Hier weiter zu kommen setzt allerdings für Nicht-Klima-Fachleute erschließbare Transparenz zu fachlich sinnvollen Ansätzen und der Verzahnung zwischen vielen Handlungsebenen und -sektoren, Fachgebieten und Interessen voraus. Eine Fülle von Spezialisten weltweit haben großes Wissen dazu angesammelt. Dieses in ein auch für Laien instruktives Informations- und Steuerungskonzept zu überführen ist eine wesentliche Erfolgsvoraussetzung. Als Instrument dazu wird eine allgemein niedrigschwellig zugängliche, integrierende, Transparenz für alle ermöglichende und an operativen Bedarfen ausgerichtete Informationsplattform unverzichtbar sein. Die Organisation dessen bedarf der Initiative und Unterstützung aller an konstruktiven Lösungen interessierten Beteiligten.

Hintergründe

Ohne Anspruch auf Vollständigkeit ist dazu u.a. auf folgende Hintergründe für Deutschland zu verweisen:

• Aus gesellschaftspolitischer Sicht zeichnen sich zum Klimawandel Konflikte ab, z.B. um Arbeitsplatzfragen, in der Konkurrenz zwischen Kontinenten und Ländern, Wirtschaftszweigen oder großen Unternehmen, aber auch zwischen den Generationen. Verbinden sie sich mit dem empfundenen Auseinanderklaffen von Staat und Zivilgesellschaft (z.B. weil Arbeitsplätze gefährdet sind oder junge Menschen den Staat nicht verstehen oder sich geblockt fühlen), droht die Gefahr der Radikalisierung.

Zivilgesellschaft kann dazu beitragen, über die Möglichkeit eigener Aktivität die aktuelle Dynamik der Auseinandersetzung im Interesse positiver Klimaziele aufrecht zu erhalten und zugleich die Perspektive einer Vielzahl von Menschen durch positives Handeln zu verbessern. Vermieden werden sollte jedenfalls aus sehr naheliegenden Gründen zusätzliches »Frust«-Potenzial. Auch in Deutschland würde es inzwischen auf eine teils hochkritische Kulisse treffen, mit unabsehbaren Folgen für die Überzeugungen von der Legitimität gesellschaftlicher und politischer Gestaltungsentscheidungen und die nicht staatlich garantierbaren Vertrauensgrundlagen einer funktionierenden Gesellschaft und Demokratie.

• Auf die Frage, was jemand als Einzelner überhaupt leisten kann, ist eine konstruktive Antwort zu finden, indem seriöse und verständliche Informationen gegeben und Bezüge zum Leben der Menschen hergestellt, zugleich Katastrophenszenarien vermieden und zumindest immer Lösungen angeboten werden. Dazu können die Rolle der Konsumenten beleuchtet und die Zusammenhänge der verschiedenen Themen mit Handlungsvorschlägen anschaulich gemacht werden.

• Zu den durch den Klimawandel aufgeworfenen Fragen und erkennbar gewordenen Problemen gibt es eine auf weltweit viele Informationsträger verteilte, immer unüberschaubarer werdende Menge von Analysen, Perspektivbetrachtungen und Lösungsvorschlägen, die angesichts der unzureichenden zeitlichen Ergebniserwartungen bisher eingeleiteter Abhilfeinterventionen sämtlich auf den Tisch gehören. Wegen immer neuer Informationen, Erkenntnisse und darauf basierender Schlussfolgerungen sind sie laufend fortzuschreiben.

• In den Blick zu nehmen sind nicht nur übergeordnete Entscheidungen zur Vermeidung weiterer kausaler Ansätze zur Klimaverschlechterung, sondern auch kompensierende, abschwächende Ansätze der Auswirkungen auf allen erwähnten Ebenen und bei den Akteuren bis hin zu den Verbrauchern und anderen an der Zivilgesellschaft Beteiligten. Individuelle und kollektive Alternativansätze sind in Rechnung zu stellen.

• Die Komplexität dieses Fundus an Informationen, Bewertungen und Schlussfolgerungen wird in vielen Fällen von Auseinandersetzungen um Machtpositionen, aber auch divergierenden Weltanschauungen, religiösen Überzeugungen und sonstigen Interessen auf allen Ebenen geprägt, zwischen Kontinenten, Staaten und ihren Bündnissen, den trisektoralen Akteuren in den Staaten innerhalb der und zwischen den Sektoren der Verwaltungen, der Wirtschaft und der Zivilgesellschaft. Darüber hinaus sind vertretbare Meinungsunterschiede bei schlussfolgernden Handlungsentscheidungen in Rechnung zu stellen.

• Bei Versuch und Irrtum in den Anstrengungen zur Abhilfe darf es keine Tabus geben, damit alles im Ergebnis Sinnvolle und nach den herrschenden Wertordnungen und den Aufwands-/Ertragsrelationen als akzeptabel Anzusehende nicht unversucht gelassen wird.

• Handlungsträger werden potenziell alle sein: Wissenschaftler, Politiker, Gesetzgeber und Verwaltungen, Unternehmen und die Akteure der Zivilgesellschaft mit ihren steuernden Maßgaben und die im Detail Umsetzenden mit ihren Entscheidungen. Von den politischen Spitzen dürfen und müssen Ideen, Initiativen, Impulse zum Handeln anderer und förderliche Rahmenentscheidungen in die Gesellschaften hinein erwartet werden. Das gilt unter Überwindung bisheriger abwartender Taktiken und deutlich über die bisherigen Beschlüsse hinaus auch für die Bundesregierung.

• Koproduktion mit adäquater Abstimmung zwischen den Vielen wird das dominierende Gebot sein. Kaum ein Lösungsansatz kennt für den Erfolg nur einen einzigen Akteur oder Akteurstypus. Zumeist werden mehrere Kontinente, Länder, staatliche Organe, Sektoren, Verwaltungen, Unternehmen und Individuen abgestimmt ihre Handlungsansätze, -ziele, -methoden, -zeitpunkte usw. bestimmen müssen. Netzwerke werden noch an Bedeutung gewinnen.

• Kaum jemand wird - selbst unter den Experten - weltweit in der Lage sein, diese Gemengelage persönlich als Einzelner vollständig zu überblicken. Die Schwarmintelligenz auf der Basis integriert erkenn- und verarbeitbarer Informationen kann jedoch unter all den vorstehend zusammengefassten Annahmen große Kräfte gerade in motivierten Zeiten freisetzen. Deswegen sind die Informationen verständlich zusammenzuführen.

• Die einzelnen Interessierten brauchen Hinweise, wo wer mit wem was mit welchen Zielen und welchem Aufwand operativ bewirken kann. Dazu ist erforderlich, dass die Prämissen und Wirkungsbedingungen bestimmter Ansätze, Entscheidungen und Lösungsbeiträge allgemein erkennbar gemacht werden. Sonst ist niemand vor Fehlentscheidungen und demotivierenden, verfehlten Kräfteeinsätzen bewahrbar.

• Bei näherer Betrachtung ist bisher jedoch gerade die Transparenz aus dem Blickwinkel nachhaltiger Abhilfeentscheidungen extrem unbefriedigend. Dies gilt unabhängig davon, in welchem Maße alle Länder der Welt bereits mitziehen. Staaten mit nach ihrem Selbstverständnis hoher Kultur, großer Innovationskraft und erfinderischer Intelligenz sollten im eigenen Interesse auch mit ihrer Bevölkerung vorangehen, bis hin zur Herstellung von Transparenz zu den aktuellsten Erkenntnissen.

Wenn etwa die ca. 30 Millionen Engagierten, die rund 620 000 gemeinnützigen Organisationen, die ungefähr 2,9 Mio KMU, die diese beratenden etwa 200 000 professionellen Berater und die vielen tausend Verwaltungen in Deutschland (und das ist hier nur ein Teil der Akteure) einen sinnvollen Beitrag leisten wollen, brauchen sie die zuvor nur angedeuteten, verständlich aufbereiteten Abwägungsinformationen. Und diese liegen bisher so nicht niedrigschwellig überschaubar und allgemein verständlich aufgearbeitet und einsehbar vor.

Speziell zur Interessenlage der Zivilgesellschaft

Im Einzugsbereich der Zivilgesellschaft, nicht zuletzt im Licht der Meinungsbildung in den Gremien und nach den Verlautbarungen des BBE als Mittlers der Mittler und größtes Diskursnetzwerk der Zivilgesellschaft nicht nur in Deutschland ist auf

• die übergreifenden Arbeiten zur Adressierung von Synergiepotenzialen zwischen Unternehmen und den gemeinnützigen Organisationen der Zivilgesellschaft hinzuweisen, für welche die Klimafrage ein wichtiger Ansatzpunkt ist.

• Die Ergebnisse der Auftaktveranstaltung eines zukunftsgerichteten Projekts der Mercator-Stiftung und des BBE im Oktober 2019 zur Rolle der Zivilgesellschaft beim Klimaschutz haben den unmittelbaren Zusammenhang beider Felder in den Vordergrund gerückt. Dies geschah unter dem Eindruck der entstandenen allgemeinen politischen und auch zivilgesellschaftlichen Erwartungen an die Lösungswege zur Klimafrage.

• Die ergänzungsbedürftigen aktuellen Regierungsbeschlüsse sorgten für Rückenwind aus der Wissenschaft, der Politik und der Bevölkerung. So hat es die entsprechenden Erwartungen verstärkt, dass – mit ergebnisoffen intendierten Folgewirkungen – z.B. das Europäische Parlament und einzelne Kommunen in letzter Zeit den „Klimanotstand“ ausgerufen haben.

Schlussfolgerung für Deutschland: Entwicklung einer Klima-Informationsplattform

Soll also die potenzielle Interventionskraft gegen den Klimawandel unter Nutzung des guten Willens eines Großteils der an ihrer Lebensumwelt interessierten Akteure weltweit und auch in unserem Land rational zum Erfolg geführt werden, bedarf es einer entsprechenden Klima-Informationsplattform. Es hieße freilich die kurzfristig erwartbare Perfektion der Abfolgen zu überfordern, wollte man dafür zunächst eine globale Top down-Absprache erwarten. Zunächst wird es vielmehr vor allem darum gehen,

• die vorhandenen Informationen und Akteure sachbezogen und transparent und überhaupt verständlich in Beziehung zueinander zu setzen,

• die Ideenbörse zu verbreitern und auf dieser Basis mit von Expertise getragener Beratungskapazität Einzelbeiträge zu ermuntern und zu erleichtern

und auf dieser Basis eine entsprechende Plattform unter möglichst starker Unterstützung auch aus dem In- und Ausland zu entwickeln. Die Initiative in Richtung anderer Akteure kann von vielen Beteiligten ausgehen, auch z.B. von zivilgesellschaftlichen Netzwerken und Stiftungen, der Unternehmensseite und anderen, so von der in Deutschland vorhandenen Expertise zuständiger Ministerien oder geeigneten universitären und anderen wissenschaftlichen Stellen oder von Organisationen mit operationalen Ansätzen. Deren fachlich-inhaltliche Exzellenz muss den Weg zu Architektur und inhaltlicher Substanz der Plattform unter Berücksichtigung der skizzierten Ziele weisen. Der Aufbau sollte auch Techniken lernender und im Arbeitsablauf ergänzbarer Systeme umfassen.

Eine oder mehrere hochrangige Organisationen sollten diese Initiative jetzt ergreifen. Unseren Planeten und auch die Zivilgesellschaft wird dieses Thema mit seinen vielfältigen Betroffenheiten lange begleiten.


Beitrag im Newsletter Nr. 2 vom 27.2.2020

Für den Inhalt sind die Autor*innen des jeweiligen Beitrags verantwortlich.

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Autor

Dr. rer. pol. Hans Sendler leitet die Konzeptagentur EUSENDOR auch zu Fragen der Synergie zwischen Wirtschaft und Zivilgesellschaft. Er ist BBE-Themenpate für den Bereich Unternehmen und Engagement.

Kontakt: h.sendler@eusendor.com


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