Beitrag im Newsletter Nr. 12 vom 17.6.2021

kulturweit im Corona-Jahr – Der Freiwilligendienst erfindet sich neu

Alice Kohn

Inhalt

Aus der Krise eine Chance machen
März 2020: enttäuschte Erwartungen, geänderte Pläne
Der Freiwilligendienst geht weiter – trotz Pandemie
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Aus der Krise eine Chance machen

Als die Corona-Krise weltweit ausbricht, muss der Freiwilligendienst abgebrochen werden. Was für die Freiwilligen als herbe Enttäuschung beginnt, entpuppt sich als Möglichkeit für eine andere Erfahrung. Denn das kulturweit-Team findet Lösungen für die Rückkehrer*innen und entwickelt dabei kurzerhand neue Konzepte.

März 2020: enttäuschte Erwartungen, geänderte Pläne

Rund 200 junge Leute tummeln sich in den Seminarräumen am Werbellinsee nördlich von Berlin. Einige tragen Rucksäcke, es ist Anfang März 2020, in wenigen Tagen wollen sie ihren kulturweit-Freiwilligendienst beginnen, dabei die Welt und sich selbst besser kennenlernen. Die Vorbereitungen laufen nach Plan, wären da nicht die Nachrichten über die Verbreitung eines neuen Virus. Seit Ende Februar steigen die Infektionszahlen in Deutschland. In immer mehr Ländern sieht es ähnlich aus. Es ist die Rede von der Schließung der Grenzen. Im kulturweit-Team ist man unschlüssig: Wie schnell wird sich dieses Virus ausbreiten, und was bedeutet das für den Freiwilligendienst?

Zur selben Zeit im 2.000 Kilometer entfernten Constanța darf Deborah Prkno bereits ihre Wohnung nicht mehr verlassen. Sie war im September 2019 mit kulturweit nach Rumänien ausgereist. Das Land hat früh auf das Virus reagiert und einen Lockdown verhängt. Eine komische Situation, die ein paar Wochen anhalten würde, glaubt Deborah. Danach könne sie zurückkehren an ihre Schule, das Colegiul Național Mircea cel Bătrân, wo sie im Deutschunterricht mithilft, kann sich wieder mit ihren zwei Bands treffen, in denen sie Geige spielt.

Anna Veigel, Leiterin von kulturweit, erinnert sich an den 12. März, einen Tag zuvor hat die Weltgesundheitsorganisation den Covid-19-Ausbruch zur Pandemie erklärt. »Wir haben gemerkt, dass wir reagieren müssen.« Das kulturweit-Team trifft gemeinsam mit dem Auswärtigen Amt eine schwere Entscheidung: Der Freiwilligendienst muss gestoppt werden. Noch am selben Tag informieren sie die Freiwilligen per E-Mail. Einige sind bereits auf der Reise, sie drehen auf dem Weg zum Flughafen oder aus dem Transit heraus wieder um. Andere befinden sich schon seit Monaten im Ausland, müssen ihrem neuen Zuhause ungeplant Lebewohl sagen.

»Es war schon ein ziemlicher Schlag. Ich wollte es zunächst nicht wahrhaben«, erinnert sich Deborah Prkno. Jetzt darf sie nicht nochmal in die Schule zurück, kann sich weder von ihren Schülerinnen noch ihren Freundinnen richtig verabschieden. Kurz darauf sitzt sie im menschenleeren Flugzeug nach Deutschland, zurück in ihr altes Leben, von dem sie eigentlich ein bisschen Abstand haben wollte. Auch Deborahs Ansprechpartner, Deutschlehrer Laurențiu Diamandi, trifft diese Entscheidung. Er befürwortet die Abreise von Deborah, ist jedoch besorgt, ob er in diesem Jahr noch einmal Freiwillige an seine Schule bekommen wird. Im Deutschunterricht schätze man deren Unterstützung sehr, so Diamandi.

Der Freiwilligendienst geht weiter – trotz Pandemie

Für kulturweit bricht eine intensive Zeit an: Rückreisen müssen organisieren und abgerechnet, mit Partnerorganisationen neue Strategie gefunden, eine Hotline für die Freiwilligen eingerichtet werden – und das alles aus dem Homeoffice heraus. Gleichzeitig versucht das Team den Freiwilligen zu helfen, damit sie sich weiter in Deutschland engagieren können. Mit Erfolg: Einige können online weiter für ihre Einsatzstellen arbeiten, andere suchen sich auf dem Engagement-Portal der Bundesregierung oder privat neue Einsatzstellen. Sie können dabei im kulturweit-Programm bleiben. »Eine tolle Erfahrung, dass unser Geldgeber, das Auswärtige Amt, das so schnell möglich gemacht hat«, freut sich Anna Veigel.

Zurück in Sachsen, genießt Deborah die freie Zeit mit ihrer Familie und bringt sich Jonglieren bei. Aber dann fällt ihr doch die Decke auf den Kopf. Sie beschließt, sich im Malteser-Krankenhaus St. Johannes in Kamenz zu engagieren. Deborah tauscht Jonglierbälle gegen blauen Kittel, verteilt Essen, wäscht Patient*innen, misst Blutdruck. Nach der Enttäuschung im März schätzt sie sich nun doch sehr glücklich, unverhofft eine neue Erfahrung mache zu können: »In Rumänien habe ich mich in meiner Selbstständigkeit weiterentwickelt. Die Erfahrung in Kamenz hat mich wiederum in meiner Studienwahl bestätigt, Medizin.«

Auch für kulturweit nimmt 2020 eine positive Wende. In Windeseile entstehen neuen Konzepte. Bei der Ausreise im Herbst findet das Vorbereitungsseminar digital statt. Gereist wird dieses Mal nur innerhalb Europas – dafür werden extra neue Einsatzstellen in Südeuropa gefunden. Und auch Deborahs Einsatzstelle bekommt wieder einen Freiwilligen. Für manche kulturweit-Freiwillige beginnt ihr Dienst im Homeoffice, manche reisen später ab als geplant. Doch das Wichtigste ist: Der Freiwilligendienst geht weiter – trotz Pandemie!

Zur Multimedia-Reportage über Freiwilligendienst während der Pandemie


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Alice Kohn verfasste diesen Text als freie Journalistin im Auftrag der Deutschen UNESCO-Kommission. Kontakt zu kulturweit: Anna Veigel via kontakt@kulturweit.de

Anna Veigel leitet den internationalen Freiwilligendienst kulturweit, der von der Deutschen UNESCO-Kommission in Kooperation mit dem Auswärtigen Amt durchgeführt wird.


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