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Pflichtdienst – Ja oder Nein? Eine irreführende Debatte zu einem ungünstigen Zeitpunkt.

Stellungnahme des BBE-Sprecher*innenrates

Die Auseinandersetzung um die Einführung eines Pflichtdienstes ist regelmäßig ein Thema der politischen und medialen Debatte. Zuletzt hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in einem Interview mit der Bild am Sonntag am 12. Juni 2022 laut darüber nachgedacht, „ob es unserem Land nicht guttun würde, wenn sich Frauen und Männer für einen gewissen Zeitraum in den Dienst der Gesellschaft stellen.“ Ihm gehe es dabei nicht um einen Pflichtdienst bei der Bundeswehr, sondern um eine verpflichtende Zeit etwa zur Betreuung von Senior*innen, in Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen oder in Obdachlosenunterkünften. Das BBE begleitet seit seiner Gründung die Debatte um die Freiwilligkeit des Engagements und um einen verpflichtenden Charakter kritisch.

Das bürger*innenschaftliche Engagement ist eine tragende Säule unserer Gesellschaft, auch und insbesondere in Zeiten gesellschaftlicher Herausforderungen, wie beispielsweise im Zusammenhang mit dem Engagement für Menschen mit Fluchterfahrung aufgrund des Krieges in der Ukraine. Es ermöglicht gesellschaftliche Teilhabe, schafft Solidarität und eröffnet einen Raum der Begegnungen. Hierfür ist jedoch die Freiwilligkeit eine wesentliche Voraussetzung. Ein demokratisches Zusammenleben in Vielfalt und Toleranz kann auf der Grundlage von Pflicht weder gedeihen noch erlernt werden. Ein verpflichtendes Engagement schafft ggf. kurzfristig Abhilfe, für die nachhaltige Stärkung unserer Demokratie und des gesellschaftlichen Zusammenhalts kann sie indes keine Grundlage bilden. In diesem Sinne ist die Pflichtdienst-Debatte irreführend.

Ungeachtet dieser grundsätzlichen Überzeugung kommt die Debatte auch zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Junge Menschen gehören mit zu jenen Gruppen, die am stärksten mit den Folgen der Corona-Pandemie zu kämpfen hatten und weiterhin haben. Die Pflichtdienstdebatte sendet vor diesem Hintergrund ein falsches gesellschaftliches Signal zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Vielmehr sollte darüber diskutiert werden, wie Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft gemeinsam Gestaltungsmöglichkeiten und Teilhabechancen junger Menschen nachhaltig und kontinuierlich stärken können.

Der BBE-Sprecher*innenrat spricht sich vor diesem Hintergrund dafür aus

  • die Stimme junger Menschen zu stärken sowie kontinuierlich am politischen Diskurs zu beteiligen und dies auch durch verlässliche hauptamtliche Strukturen zu begleiten (z.B. Bundesschüler*innenkonferenz etc.)

  • Bildungseinrichtungen für Engagement und Beteiligung von Kindern und Jugendliche zu öffnen,

  • die diversen Formen der Freiwilligendienste finanziell stärker zu fördern und abzusichern, so dass die Rahmenbedingungen für die Freiwilligen attraktiver werden, Einsatzstellen-Gebühren reduziert und die Platzzahlen erhöht werden können

  • das Engagement junger Menschen und die sie ermöglichenden zivilgesellschaftlichen Strukturen nachhaltig zu stärken,

  • gezielte Programme zur Förderung des Engagements junger Menschen ins Leben zu rufen,

  • das Sichtbarmachen und die Anerkennung freiwillig erbrachter Beiträge zu gesellschaftlichen Fragen im Rahmen des Engagements zu fördern.

Das allgemeine Ziel ist, die Wertschätzung und Selbstwirksamkeitserfahrungen im freiwilligen Engagement zu stärken und Menschen aller Altersgruppen und unabhängig von ihrer Herkunft für das Engagement langfristig zu gewinnen. Grundlage und Hintergrund dieser Perspektive bildet die allgemeine Diskussion zu freiwilligem Engagement im BBE sowie auch die klare Positionierung der BBE-Arbeitsgruppe Freiwilligendienste, die sich weiterhin intensiv mit der Debatte auseinandersetzt.

Berlin, den 15. Juni 2022

Für den BBE-Sprecher*innenrat

Olaf Ebert (Stiftung Bürger für Bürger), Katja Hintze (Stiftung Bildung) und Rainer Hub (Diakonie Deutschland)

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