Beitrag im Newsletter Nr. 6 vom 30.3.2020

Gemeinsam mehr bewegen – foodsharing-Städte

Veronika Hempe

Inhalt

foodsharing-Städte integriert Lebensmittelwertschätzung in den Alltag der Menschen
Entwicklung und Positivbeispiele
Probleme, Herausforderungen & Ausblick
Autorin
Redaktion

Insgesamt landen in Deutschland pro Jahr fast 13 Millionen Tonnen Lebensmittel im Müll. Die Konsequenzen davon sind nicht nur hohe Abfallmengen: Der so sorglose Umgang mit Lebensmitteln hat darüber hinaus auch drastische Auswirkungen auf den CO2-Ausstoß und somit direkten Einfluss auf die Klimakrise. Emissionen, die bei Anbau oder Aufzucht, Ernte, während der Logistik und bei der Lagerung dieser Lebensmittel angefallen sind, landen zusammen mit den Waren selbst in der Tonne. Seit 2012 setzt sich die Initiative foodsharing gegen die Verschwendung von Lebensmitteln ein. Über 71.000 Freiwillige engagieren sich inzwischen in Deutschland, Österreich und der Schweiz als »Foodsaver« und retten Lebensmittel vor der Mülltonne. Hierfür werden diese regelmäßig oder nach Bedarf bei einem der fast 6.500 kooperierenden Betrieben abgeholt und weiterverteilt. Das Hauptziel der Initiative foodsharing ist es, die Verschwendung kostbarer Ressourcen auf der Erde zu verringern. Gerettete Lebensmittel werden an soziale Einrichtungen, Nachbarn, Freunde oder Arbeitskollegen »fair-teilt« und so dafür gesorgt, dass diese nicht im Abfall landen. Seit 2015 arbeiten foodsharing und die Tafeln als Partner zusammen, um so noch mehr Lebensmittel vor der Tonne zu bewahren. Darüber hinaus stellt die Initiative mit www.foodsharing.de eine Plattform zur Organisation, Vernetzung und zum Austausch zum Thema foodsharing bereit. Seither setzen sich an vielen Orten bereits Menschen für mehr Wertschätzung von Lebensmitteln und gegen deren Verschwendung ein.

foodsharing-Städte integriert Lebensmittelwertschätzung in den Alltag der Menschen

Der im Jahr 2019 gegründeten Bewegung »foodsharing-Städte« reicht das Retten von Lebensmitteln allein nicht aus: Sie will als Teil der foodsharing-Organisation künftig zusätzliche Wege gehen. Ziel der Bewegung foodsharing-Städte ist es, das Thema Lebensmittelwertschätzung in den Alltag der Menschen zu integrieren. Lokales Engagement für Lebensmittelwertschätzung soll honoriert und die Zusammenarbeit zwischen foodsharing, Politik, Landwirtschaft, Handel und der öffentlichen Hand gefördert werden. Hierfür wurde eine Website erstellt, auf der Ideen präsentiert werden, wie sich Menschen vor Ort gegen Lebensmittelverschwendung engagieren können. Außerdem bekommt jede Stadt, die an der Bewegung teilnimmt, eine Unterseite, auf der ihre Aktivitäten dargestellt werden. Im Zielbild der Bewegung foodsharing-Städte gibt es genug Lebensmittel für alle Einwohner der Stadt. Übrige Lebensmittel werden geteilt oder haltbar gemacht. Es herrscht eine Kultur des Tauschens, Teilens und der Kommunikation. Vertreter von foodsharing, Politik, Handel und (Land-)Wirtschaft arbeiten Hand in Hand an einem ganzheitlichen und nachhaltigen Konzept für die Versorgungssicherheit der foodsharing-Stadt. Bei der Umsetzung dieses Konzepts werden die Einwohner*innen einbezogen, sodass dieses gemeinsam umgesetzt und gelebt wird. Um dieses Ziel zu erreichen, stellt die Bewegung auf ihrer Website www.foodsharing-staedte.org Aufklärungs- und Informationsmaterial bereit. Ein Ideenkatalog bietet Vorschläge für Aktionen und Maßnahmen. Für jede umgesetzte Idee erhält die teilnehmende Stadt einen weiteren Eintrag auf ihrer Seite. Dabei zählen nicht nur Maßnahmen aus dem Ideenkatalog - auch eigene Maßnahmen und Ideen der Städte werden honoriert. Darüber hinaus dient die foodsharing-Städte-Website zur Präsentation bestehender Konzepte und macht gelungene Aktionen sichtbar. Sie fördert so den Ideenaustausch lokaler foodsharing-Gruppen und trägt zur gegenseitigen Inspiration bei. Um vom Status »Stadt auf dem Weg« zur »foodsharing-Stadt« zu werden, ist eine gemeinsam von der lokalen foodsharing-Gruppe und der öffentlichen Hand unterzeichnete Motivationserklärung das entscheidende Kriterium. Bei diesem von beiden Seiten unterschriebenen Dokument handelt es sich um ein Symbol der Partnerschaft, welches das gemeinsame Vorgehen bekräftigt. Belohnt wird dieses Engagement mit einem individuell gestalteten Logo. Dies dient als Auszeichnung und kann von foodsharing und Stadt für deren Öffentlichkeitsarbeit verwendet werden.

Entwicklung und Positivbeispiele

Seit dem Start der Homepage www.foodsharing-staedte.org am 12.12.2019 haben sich bereits mehr als 15 Städte der Bewegung angeschlossen. In der Liste finden sich neben Metropolen wie Hamburg, Stuttgart und Wien auch mittlere und kleine Städte wie Coburg, Erkrath und Trier. Bereits drei der Städte haben von Beginn an einen guten Draht zur eigenen Stadtverwaltung bewiesen und eine unterschriebene Motivationserklärung vorgelegt: Eupen, Graz und Remscheid wurden daher bereits zu foodsharing-Städten erklärt und sind damit Vorreiter der Bewegung. Alle teilnehmenden Städte überzeugen durch beeindruckendes ehrenamtliches Engagement und kreative Ideen. Bayreuths und Remscheids Notfall-Teams sind im Fall von kurzfristigen Rettungen besonders schnell vor Ort und können so beispielsweise beim Ausfall von Kühlanlagen große Mengen Lebensmittel retten. Bei der Realisierung von »Fairteilern« - in Form von (Kühl-)Schränken an öffentlich zugänglichen Orten, die zur Weiterverteilung geretteter Lebensmittel dienen - kooperieren Städte wie Bayreuth, Braunschweig und Darmstadt mit Universitäten und Hochschulen, sodass diese auf dem Gelände der jeweiligen Universität oder Hochschule bereitgestellt werden können. Für alle Foodsharing-Fairteiler gibt es professionelle, mit Lebensmittelexpert*innen ausgearbeitete Regeln, damit die Kühlschränke und Schränke sich immer in einem hygienisch einwandfreien Zustand befinden. Für die regelmäßige Kontrolle und Reinigung sorgt in der Regel die foodsharing-Ortsgruppe. Foodsharing Bayreuth konnte sogar die örtliche Stadtbibliothek als Aufstellungsort für einen Fairteiler gewinnen, welcher in den Öffnungszeiten der Bibliothek für Jedermann frei zugänglich ist. Stuttgarts Fairteiler-Café »Raupe Immersatt« gestaltet Lebensmittelwertschätzung erleb- und essbar. Dazu wurde ein Fairteiler in das Café integriert und ermöglicht Menschen kostenlos Lebensmittel zu teilen und zu genießen. Neben kostenlosen, geretteten Lebensmitteln bietet das Café Heiß- und Kaltgetränke zu variablen Preisen an - jeder Gast gibt, was er/sie für richtig hält. Öffentliche Lebensmittelrettungen auf Märkten und Großveranstaltungen sowie Info-Stände lenken zusätzlich wertvolle Aufmerksamkeit auf den achtsamen Umgang mit Lebensmitteln. Regelmäßig finden öffentliche Veranstaltungen der lokalen foodsharing-Gruppen statt, die der Vernetzung und dem Austausch mit der Bevölkerung dienen. Dabei werden häufig gerettete Lebensmittel verwendet, um gemeinsam leckere Gerichte zuzubereiten. Städte wie Bayreuth, Darmstadt, Stuttgart und Wien engagieren sich darüber hinaus aktiv für die Bildungsarbeit im Bereich Lebensmittelwertschätzung und bieten dazu Vorträge und Workshops an Schulen, in Kirchen und für Verbände an.

Probleme, Herausforderungen & Ausblick

Jede Stadt in Deutschland, Österreich, Belgien und der Schweiz hat das Potential foodsharing-Stadt zu werden und neue Wege im Hinblick auf die eigene Ernährungssouveränität zu gehen. Doch nicht jede foodsharing-Gruppe stößt mit ihrem Anliegen auf offene Ohren in Lokalpolitik und Stadtverwaltung. Häufig benötigen alteingesessene Strukturen und Gewohnheiten Zeit und sind noch nicht bereit für Neues. In einigen Fällen ist die Skepsis gegenüber foodsharing sogar so groß, dass Veterinär- und Lebensmittelaufsicht hinzugezogen werden, um die Aktivitäten kritisch zu überprüfen. Die Bewegung foodsharing-Städte bringt das Thema Lebensmittelwertschätzung in die breite Bevölkerung sowie in das direkte Sichtfeld parteipolitischer Akteure. Die Idee der Bewegung ist lokale Veränderungen herbeizuführen, die zur Sensibilisierung und zu einem Umdenken in der Bevölkerung und Politik führen. Die Tatsache, dass sich bereits in wenigen Monaten mehr als 15 Städte der Bewegung angeschlossen haben, lässt drauf schließen, dass die Zeit reif für Veränderung ist.


Beitrag im Newsletter Newsletter Nr. 6 vom 30.3.2020
Für den Inhalt sind die Autor*innen des jeweiligen Beitrags verantwortlich.

Zurück zum Newsletter


Autorin

Veronika Hempe ist Mitglied des Orgateams der Bewegung foodsharing-Städte. Die in Berlin ansässige IT-Beraterin beschäftigt sich seit Sommer 2019 mit dem Thema Lebensmittelverschwendung. Seit Januar 2020 engagiert sie sich als aktive Foodsaverin.

Kontakt: presse@foodsharing-staedte.org
http://www.foodsharing-staedte.org
@foodsharing_staedte | https://www.facebook.com/foodsharingstaedte


Redaktion

BBE-Newsletter für Engagement und Partizipation in Deutschland

Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement (BBE)
Michaelkirchstr. 17/18
10179 Berlin

Tel.: +49 30 62980-115

newsletter@b-b-e.de
www.b-b-e.de

Zum Seitenanfang